Pfarrsekretärin im Stress
Stille Nacht, hektische Nacht

Foto: pexels.com/Vladislav Murashko

Wenn sie an den Heiligen Abend denkt, dann gerät Regina Kasper in Sorge. Denn hier könnte passieren, was sie bisher verhindern konnte: Dass alle Menschen nur mit Unmut und Umverteilung einen Platz finden oder womöglich gar keinen - und zwar beim beliebten Krippenspiel nachmittags um 15 Uhr.

Von Annika Schmitz

Rund 150 Menschen haben sich elf Tage vor Weihnachten innerhalb weniger Stunden für die Feier in der Berliner Pfarrkirche Sankt Matthias angemeldet. Am frühen Nachmittag sind noch genau acht Tickets übrig. Kasper setzt sich an den Computer, tippt eifrig in die Tasten und sichert schnell die verbleibenden Karten. Sie sind die einzige Reserve für enttäuschte Eltern und Großeltern. Das Krippenspiel ist nun restlos ausgebucht.

Sie habe heute Fusseln am Mund, sagt Kasper und rauft sich die kurzen Haare. Bis zu 500 Leute bekommt sie normalerweise in die Kirche im Schöneberger Kiez hinein. Aber mit normalerweise ist auch in diesem Jahr wieder nichts. Wer in die Christmette kommen will, muss sich wegen Corona anmelden. Das geht online oder vormittags für zwei Stunden auch telefonisch. Pfarrsekretärin Kasper nimmt dann im Minutentakt Sitzplatz-Wünsche entgegen.

Wüste Beschimpfungen seien derweil zum Glück eher selten, erzählt sie. Doch als das Berliner Erzbistum im November mitteilte, für die Weihnachtsgottesdienste weitgehend auf 2G-Auflagen zu setzen, stieß das nicht bei allen Kirchgängern auf Jubel. Von den drei Christmetten in Sankt Matthias findet die um Mitternacht auch für nur Getestete statt, sprich 3G.

Sankt Matthias informiert per Internet und Aushang über die je geltenden Vorschriften für die Gottesdienste. Ein bundesweiter Überblick scheint schier unmöglich. Die katholische Kirche gibt keine einheitlichen Corona-Schutzregeln für die Weihnachtsgottesdienste heraus, sondern reagiert länder- und regionalspezifisch. Das heißt 3G hier, 2G dort, mancherorts braucht es nicht einmal einen Test. Kurz vor dem Fest halten die Diskussionen wegen der neuen Omikron-Variante an. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt jetzt 2Gplus für die Gottesdienste zum Fest.

Noch drei weitere Kirchen gehören zum Pfarrverbund mit Sankt Matthias - mit je eigenen Zugangsregeln. Kasper kennt sie alle auswendig, weiß, bei welcher Bestuhlung sie wie viele Menschen in den Kirchenräumen unterbringen kann. Sie selbst wird wohl bei manchen Einlasskontrollen Hilfestellung leisten, bevor sie zusammen mit der Tochter in einem kleinen Gesangsensemble im Gottesdienst zum Einsatz kommt. Was ist da eigentlich Arbeitszeit, was ist Ehrenamt? Kasper atmet hörbar aus. "Abgrenzung ist schon schwierig", sagt sie.

"Alles, was nicht das geistliche Personal abdeckt, landet bei mir im Büro." Es ist eines der wenigen Male, dass sie von sich selbst spricht. Kasper redet lieber vom "Wir": dem kleinen hauptamtlichen Team und den rund 280 Ehrenamtlichen. Ohne die liefe hier gar nichts, sagt sie. Und wohl auch nicht ohne Regina Kasper.

Die studierte Ärztin übersetzt seit Beginn der Pandemie die sich immer wieder ändernden Corona-Schutzverordnungen in Hygiene-Konzepte. Sie behält den Überblick im Chaos, setzt sich dafür ein, dass die Kinder- und Jugendarbeit soweit wie möglich fortgeführt werden kann. Sie nimmt Schnelltest-Abstriche bei Chormitgliedern, Katecheten, Gottesdienstbesuchern und manchmal auch beim Generalvikar. Nur dem Erzbischof habe sie bislang noch kein Stäbchen in die Nase gesteckt, sagt sie und lacht. Und neben Abstrichen nimmt sie vielen durch lange Gespräche auch die Angst - vor Ansteckungen beim Gottesdienst, vor der Impfung.

"Die Angst rauskriegen und die Vernunft reinkriegen", nennt Kasper das. Und Ängste gebe es überall. "Die werden nicht besser, wenn man noch den Trost der Kirche nimmt." Gerade an Weihnachten solle jeder Mensch einen Platz in einem der vielen Gottesdienste finden, die an diesen Tagen wie am Fließband stattfinden.

Und die dabei immer noch besonders bleiben sollen. "Man darf nicht vergessen, dass es für die Gläubigen immer nur das eine Mal ist", gibt Kasper zu Bedenken. Sie sollen ein schönes Weihnachtsfest haben. Bei Familie Kasper gibt es derweil die Bescherung erst am ersten Weihnachtstag. Vorher ist dafür keine Zeit.

(kna)

Autor:

Beatrix Heinrichs

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