Mensch werden, Mensch sein, menschlich bleiben

Der Menschensohn muss erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.
Johannes 3, Verse 14 und 15

Das ist aber ein komplizierter Satz, sagen vielleicht die einen. Kenn ich, sagen die anderen, habe ich schon oft gehört. Poetischer formuliert: Jedes große Wort in diesem Satz ist ein Geheimnis. Aber wie nähert man sich diesem Geheimnis? Am besten betritt man den rätselhaften Raum des Verses durch ein Fenster. Durch Sigmar Polkes Kirchenfenster »Der Menschensohn« im Zürcher Großmünster.
Ein großes Fenster, schwarz-weiß, schimmernd transparent. Man schaut es an und schaut hindurch zugleich. Und man sieht: Menschengesichter, Profile, einander zugewandt, so dass – nach Art der sogenannten Kippbilder – entweder zwei Profile oder ein Kelch zu sehen sind. Verschiedene Menschengesichter als Menschensohn. Dann wäre der Menschensohn in unserem Wochenspruch nicht nur der eine Mensch, der eine Christus, sondern »der eine ganz besondere Mensch, in dem sich zeigt, was Mensch-Sein, was Menschlichkeit ist«, wie es der Theologe Jürgen Ebach ausdrückt. Der Menschensohn als Bild des Menschlichen.
Wie wäre das, wenn wir gerade in diesem Jahr, in dem sich Verachtung und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft ausbreiten, den Vers aus Johannes 3 so lesen würden: Das Menschliche muss aufgerichtet werden, damit alle, die ihm vertrauen, das ewige Leben haben? In Polkes Fenster ist der Menschensohn eine Vielheit aus menschlichen Gesichtern. Und in Jesus zeigte sich alles Leben, alles Lieben, alles Sterben der Welt. Und aus ihm floss alles Heilende und Liebende für uns Menschen.
Wir leben in einer Zeit, in der das Menschliche – mitzufühlen, zu lieben, zu geben und miteinander verbunden zu sein – an den Rand gedrängt wird. Da hilft es, auf »das Menschliche« zu schauen, auf Jesus, und sich daran zu orientieren und selbst aufzurichten. Gegen den Hass und gegen die Trennung. Dann, wenn das Menschliche unter uns wieder erhöht wird, berühren wir mit unserem Leben die Unendlichkeit von Gottes Himmel.
Friederike Hempel, Gemeindepädagogin in Erfurt

Autor:

Online-Redaktion

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