Valentinstag
Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?

Foto: pexels.com/ Designecologist

Die Geschichte des Films ist voller überlebensgroßer Love Storys: Klassiker wie «Vom Winde verweht» und «Casablanca», Kultromanzen wie «Pretty Woman». Wo aber bleibt der Herzschmerz auf der großen Leinwand heute?  Ist die große Zeit des traditionellen Kino-Liebesfilms vorbei?

Von Birgit Roschy

Frankfurt a.M. (epd). Ein leidenschaftlicher Kuss auf einem windumtosten Hügel, zärtliche Blicke auf der Terrasse des Empire State Building: Große Liebesgeschichten brachten Millionen im Kino zum Weinen, verstärkt durch unsterblich gewordene Melodien wie die «Schicksalsmelodie» aus «Love Story» oder Roxettes «It Must Have Been Love» in «Pretty Woman». Nicht erst seit der Corona-bedingten Schließung der Kinos aber scheint: Die klassischen großen Liebesfilme auf Kinoleinwand, ob Kitsch oder Kunst, sind am Verschwinden.

Der Blick 30 Jahre zurück in eine Zeit, in der ein Fantasy-Liebeskrimi wie «Ghost - Nachricht von Sam» einen Sensationserfolg feierte, offenbart den einstigen Stellenwert des Genres: In den 80er und 90er Jahren produzierten die Studios am laufenden Band Kassenhits mit Starbesetzung wie etwa «Bodyguard», «Die Brücken am Fluß», «E-Mail für dich», «Shakespeare in Love» oder «Schlaflos in Seattle». Auch kleinere Herzschmerz-Komödien erwiesen sich als Treffer und bescherten bis dahin unbekannten Darstellern wie Hugh Grant oder Sandra Bullock in «Vier Hochzeiten und ein Todesfall» und «Während du schliefst» plötzlichen Ruhm.

Geklotzt statt gekleckert wurde in «Titanic», zugleich technisch innovativer Katastrophenfilm und ozeanische Gefühlsorgie. Der noch milchgesichtige Leonardo di Caprio, der sich als Jack für seine Geliebte opfert, brachte das Publikum zum Schluchzen. James Camerons Epos von 1997 stellt nicht nur wegen seines Budgets von 300 Millionen Dollar - der damals teuerste Film aller Zeiten - eine Zäsur dar. Das Untergangsspektakel beförderte mit der Weiterentwicklung computeranimierter Effekte auch den Trend zum internationalen «Event»-Film.

Seit dem neuen Jahrtausend fließt das Studiogeld aber zunehmend in computerlastige Spektakel für die Teenager-Zielgruppe - darunter besonders in serielle Comic-Verfilmungen mit garantierter Fantreue. Kaum ein Superheldenfilm erlöst weniger als eine Milliarde Dollar.

Liebesfilme sind oft vergleichsweise billig in der Produktion. Dennoch wird von einem kleinen Film nur Notiz genommen, wenn im Vorfeld Aufmerksamkeit durch herausragende Kritiken, Festivalpreise oder Oscars entstanden ist. Die Erfahrung der beiden vergangenen Jahrzehnte zeigt überdies, dass Kinobetreiber Filmen immer weniger Zeit lassen, sich wie einst durch Mundpropaganda herumzusprechen. Fällt ein kleiner Film am Startwochenende durch, wird er bald aus dem Spielplan genommen.

Mit der Verurteilung von Harvey Weinstein wegen Vergewaltigung ist außerdem der größte Produzent des erwachsenen Qualitätsfilms von der Bildfläche verschwunden. Der Siegeszug des geistreichen Liebesfilms der 90er ist nämlich ausgerechnet - auch - den Miramax-Produktionen der Weinstein-Brüdern zu verdanken, die unter anderem «Der englische Patient», «Unterwegs nach Cold Mountain», «Das Piano» und «Bittersüße Schokolade» auf den Markt brachten.

Wahr ist aber auch, dass die «boy meets girl»-Romantik im Film meist mit einer schlechten Presse zu kämpfen hat. Traditionell gelten Liebesfilme als «Frauenfilme» und werden von Kritikern gerne als gefühlsduselig verspottet. Tatsächlich geht es in klassischen Liebesdramen oft um die Bedingungen des Frauseins in der jeweiligen filmischen Epoche und auf existenzielle Weise um den Kampf um Freiheit und Autonomie. Doch wenn in Douglas Sirks Melodram «Was der Himmel erlaubt» von 1955 eine Witwe aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung ihre Liebe zu ihrem jüngeren Gärtner noch verleugnet, so haben sich die Zeiten längst geändert.

Emotionale und wirtschaftliche Abhängigkeiten haben sich entkoppelt, in zeitgenössischen Liebesdramen fehlt es an dramatischer Fallhöhe. In heutigen Liebesfilmen wie etwa Richard Linklaters 1995 begonnener «Before Sunrise»-Trilogie wird die große Liebe am Ende zwischen Kind, Karriere und Alltagsorganisation in realistisch tristem Paargezänk entsorgt.

Das große dramatische Gefühl, einst das Kerngeschäft des Kinos, existiert nur noch in Nischen. So gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Teenie- und Krankenhausromanzen wie «Das Schicksal ist ein mieser Verräter», in dem in bester «Love Story»-Tradition der angekündigte Tod das Publikum zum Weinen bringt.

Daneben hat sich mit queeren Liebesgeschichten eine neue zeitgemäße Thematik aufgetan, die in den vergangenen Jahren die interessantesten und anrührendsten Liebesfilme hervorbrachte. Der Trend begann 2005 mit «Brokeback Mountain» über zwei heimlich verliebte Cowboys und findet etwa mit dem ergreifenden Männer-Liebesfilm «Call Me By your Name» oder dem lesbischen Liebesdrama «Blau ist eine warme Farbe» seine Fortsetzung.

Auch im gefeierten «Porträt einer jungen Frau in Flammen», in dem sich im 18. Jahrhundert eine Malerin und ihr weibliches Modell verlieben, wird ohne Angst vor Kitsch ein Sturm der Emotionen entfesselt. Regisseurin Céline Sciamma ließ sich dabei auch von «Titanic» inspirieren, wie sie in einem Interview sagte. Bisher existieren diese Filme nur in der Arthouse-Nische. Doch sie beweisen, dass das Tränen-Taschentuch im Kino noch nicht ausgedient hat. Und dass Liebesgeschichten auch jenseits vom Klischee funktionieren.

(epd)

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Online-Redaktion

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