Die Rolle der Kirchen bei der Bodenreform
Bodenreform schwächte Kirche

- So euphorisch feierte der DDR-Schulbuchverlag "Volk und Wissen" die Bodenreform ab 1945.
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Der Tag der sachsen-anhaltischen Landesgeschichte 2025 unter dem Titel „Wege übers Land“ befasst sich am 26. und 27. September in Halberstadt mit der Bodenreform und schaut dabei auch auf die Rolle der Kirchen.
Von Uwe Kraus
Kirchenarchivrätin Margit Scholz vom Landeskirchenarchiv in Magdeburg gehört zu den Referenten des 15. Tags der sachsen-anhaltischen Landesgeschichte am 26. und 27. September in Halberstadt. In Anspielung auf den Mehrteiler des DDR-Fernsehens „Wege übers Land“ fragt die Tagung nach den Folgen staatlicher Eingriffe in die Eigentums- und Nutzungsordnungen ländlicher Gesellschaften. Veranstaltet wird die Tagung von der Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt, der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und der Professur für Zeitgeschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, in Kooperation mit der Stadt Halberstadt. „Ich freue mich, dass so eine hochkarätige Tagung das Kultur- und Bildungsleben in unserer Domstadt bereichert“, betont Antje Gornig, die Direktorin des Halberstädter Städtischen Museums.
Margit Scholz befasst sich auf der öffentlichen Tagung mit der Rolle der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen in der Zeit der Bodenreform von 1945 bis 1950. Die Kirche sei Mahner, Opfer wie Profiteur gewesen. Die Halberstädter Tagung soll der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas dienen und eine differenzierte Einordnung komplexer Vorgänge ermöglichen.
Auch wenn man 80 Jahre zurückblickt, im Großen vieles oder alles gesagt ist: Es finden sich immer wieder Geschichten und Erkenntnisse im Kleinen, und Kinder und Enkel der Akteure von damals setzen sich mit dem damals Geschehenen auseinander. Die neuen Erkenntnisse speisen sich jedoch nicht aus Zeitzeugengesprächen, sondern aus intensiver Aktenlektüre staatlicher und kirchlicher Provenienz.
Es war damals gerade die Sorge der Kirchenleitung, dass sie nicht in die Rolle des Profiteurs gerät. Zwar sei die Übertragung von Schloss Mansfeld und Burg Bodenstein und die fortan kirchliche Nutzung der Gebäude durchaus zwiespältig zu betrachten, aber die zahlreichen enteigneten Kapellen und Kirchen, die zuvor in kirchlicher Nutzung gestanden hatten, dürften nicht vergessen werden.
Die Bodenreform habe die Kirche – trotz grundsätzlich besserer Rechtsstellung – auf vielfältige Weise erheblich geschwächt: an Vermögenswerten und in ihrer Stellung in der ländlichen Gesellschaft.
Die Umgestaltung der Landwirtschaft sorgte dafür, dass es erhebliche Folgen für die Einnahmen gab. Adlige Güter waren eng mit der Kirche verquickt, in den Gutskirchen fand das geistliche Leben der Dörfer statt. Da machte es sich schon schwer bemerkbar, dass die Patronatsleistungen nicht kamen. Die beliefen sich nach dem Krieg auf 22 bis 25 Millionen Reichsmark pro Jahr. Wenn von einen auf den anderen Tag die Geschäftsgrundlage wegfällt, spürte man diesen Verlust deutlich. Zudem sei es den Kirchen auf die Füße gefallen, dass vielerorts rechtssichere Eintragungen in die Grundbücher fehlten. Die Bodenreform hat das Kirchenleben schwer erschüttert. Die Gesellschaft, die sich um die Gutshäuser gruppierte, zerfiel. Oft war der Gutsherr im Gemeindekirchenrat und die Herrin im gemeindlichen Gefüge engagiert. Herrschaft und Kirche lebten in einer Symbiose. Doch plötzlich saßen im Zuge der Bodenreform Leute da, die der Kirche nicht wohlgesonnen waren.
Margit Scholz verweist drauf, dass die Kirche die entschädigungslose Enteignung von Grundbesitz über 100 Hektar unter der Losung "Junkerland in Bauernhand" kritisierte und sich gegen Gewaltakte, die es im Zuge der Bodenreform gab, wandte.
Die neuen „Grundbesitzer“ waren oft Flüchtlinge, Vertriebene aus dem Osten, es gab echte Bauern darunter, aber auch viele, denen die notwendigen landwirtschaftlichen Kenntnisse fehlten. Oft fragte man sich, nach welchem Schema der Adelsboden verteilt wird. Wurden stramme Genossen bevorteilt? Schnell entwickelten sich Proteste, dass das Ablieferungssoll zu hoch sei. So spricht die Forschung von Übergangs- und Zwischenphasen, in denen jene, die nicht klar kamen, die Dörfer wieder verließen und gerade aus Mitteldeutschland oft gen Westen wanderten. Die über Jahrhunderte gewachsene traditionelle bäuerliche Gesellschaft brach zusammen und erschütterte dadurch auch kirchliche Strukturen.
Die SED wünschte sich damals eine noch engere Einbindung der Kirchen in den Bodenreformprozess. Sie legte Wert auf den höheren Segen, hoffte, dass der Pfarrer mit den Bodenreformkommissionen unterwegs ist und dann möglichst „positiv predigt“. Vermutlich gab es auch einzelne Pfarrer in der KPS, die sich haben einbinden lassen, aber darüber liegt bisher keinerlei Schriftgut vor. In der Kirchenprovinz Sachsen hatte das Ansinnen keinen Erfolg, man ließ sich nicht einbinden – ganz im Gegensatz zur Kirche in Mecklenburg und Pommern.
Das Ziel war klar: Die Kirchen sollten Komplizen der Enteignung werden. In Brandenburg hielt die Synode bereits 1945 bei allen Enteignungsversuchen kräftig dagegen. Die katholische Kirche gab dem Staat mit ihren Hirtenbriefen Kontra, die evangelische in Mitteldeutschland hoffte, hinter den Kulissen mehr zu erreichen. Die Kirchenleitung, die eher auf stille Diplomatie setzte, erreichte auf jeden Fall sehr viel weniger als erhofft.
Die Landeskirche Anhalts dürfte diesbezüglich kein Sonderfall gewesen sein, stellt Jan Brademann, der Leiter des Archivs der Landeskirche Anhalts, fest. Forschungen dazu stehen aber aus. „Inwiefern die Evangelische Kirche gar von der gigantischen Umverteilung der atheistischen Machthaber profitiert haben soll, ist eine spannende Frage, deren Beantwortung wir in Anhalt aufmerksam verfolgen werden.“
Später begann der Kampf um jede Gutskirche, ab 1950/1951 wird der Ton der Staatsmacht schärfer und unangenehmer, schließlich sollte die Kirche aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt werden. Im "Sozialistischen Frühling auf dem Lande" begann dann die Kollektivierung, die bisherigen „Bodenreform-Gewinner“ drängte man in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, in vielen der alten Gutshäuser saßen nun die LPG-Verwaltungen, mit denen viele Adlige nach der Wende noch manche Rechnungen offen hatten.
Autor:Uwe Kraus |
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