Rezension
Braucht die Kirche ein Wunder?

Stetig sinken die Zahlen der Kirchenmitglieder. Und wer weiß, ob nach der Corona-Zeit überhaupt noch wieder aktive Gemeindemitglieder in die Gottesdienste, Kirchenchöre und Gesprächskreise zurückkehren werden?

Von Susanne Borée

Diese Gedanken sind altbekannt. Doch Klaus Douglass und Fabian Vogt wechseln die Perspektive: Wie wäre es, die Heilungswunder Jesu und deren Botschaft auf die Kirche anzuwenden?

Douglass, Jahrgang 1958, ist Pfarrer und Direktor der Zukunftswerkstatt „midi“ der EKD und der Diakonie Deutschland. Er engagiert sich intensiv für die Gemeindeentwicklung. Fabian Vogt, neun Jahre jünger, entwickelte als Pfarrer für die Evangelische Kirche neue Kommunikationsprojekte. In ihrem neuen Buch fragen sie: Welche der Wunder Jesu braucht „Der evangelische Patient“, um zu gesunden? Douglass und Vogt erstellen anhand zwölf „Zeichenhandlungen“ Jesu eine eindrucksvolle Diagnose – mit Heilungsgeschichten aus den Evangelien.

„Das Irritierende an diesem Ansatz ist allerdings, dass wir damit behaupten, die Kirche habe Heilung ebenso nötig wie jeder einzelne Mensch“, so die Autoren in ihrem Vorwort. Und sie fahren fort: „Und wir ahnen, dass man uns vorwerfen wird, unsere Kirche nicht wertzuschätzen. Aber das tun wir! Sogar mit großer Leidenschaft!“ Ihre Untersuchung sei eher „ein Ausdruck von Fürsorge und Liebe.“

„Willst du überhaupt gesund werden?“ Mit dieser Frage Jesu an den Gelähmten am Teich von Betesda (Joh. 5) beginnen sie ihre Reise. Will die Kirche sich überhaupt aufmachen und in das Wasser steigen, das ihr neue Heilung bringen könnte? Oder will sie dort bleiben, wo sie sich gerade befindet? Zu einem Aufbruch gehöre es auch, neue Perspektiven zu gewinnen, nicht wie die „Verkrümmte Frau“ (Lk. 13) auf die eigenen Füße zu schauen und sich dabei noch klein zu machen.

Dann ist es aber ebenso nötig, genau hinzuhören und neu sprachfähig zu werden. Und schließlich wieder die großen Prinzipien von Glauben, Hoffnung und Vertrauen in der eigenen Institution wiederzufinden und zu verwirklichen.

Natürlich lassen sich die Impulse der beiden Autoren genauso auf das Dasein jedes einzelnen Menschen übertragen. All dies soll nicht zu einer engstirnigen Frömmigkeit führen, sondern anstelle starrer Traditionen den Blick für Neues weiten. Oder auch langjährige, aber stille Gemeindemitglieder fragen, was Sie brauchen.

Manches klingt vielleicht einfacher, als es in der Praxis ist. Schnelle Rezepte wären vielleicht auch eher wirkungslos. „Heißt das nun, dass alle, die glauben, gesund werden? Oder dass umgekehrt alle, die krank bleiben, nicht genug Glauben haben?“ Das wäre eine Verirrung und unbiblisch. Doch beobachteten die Autoren mit Erstaunen, dass gar nicht mal die Gegner Jesu, sondern gerade seine Anhänger Heilungen im Weg standen. Und doch geben sie die Hoffnung nicht auf, eine letzte Heilungsgeschichte hinzufügen: die der Kirche selbst. Patentrezepte haben sie nicht – und die scheinen leider in weiter Ferne zu sein. Aber: Reicht das Aufrütteln? 

Douglass, K. und Vogt, F.: Der Evangelische Patient. Die Kirche: eine Heilungsgeschichte, Evangelische
Verlagsanstalt, ISBN 978-3-374-06630-8; 15,00 Euro

Autor:

Online-Redaktion

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