EU-Abgeordnete Cavazzini
EU sendet zur COP30 «fatales Signal»
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Während die Weltklimakonferenz COP30 in Brasilien läuft, warnt die Europaabgeordnete Anna Cavazzini (Grüne) vor einem Rückfall Europas in der internationalen Klimapolitik. Die EU-Position sende ein «fatales Signal». Die EU verliere ihre Vorreiterrolle - ausgerechnet in einer Zeit, in der andere Staaten ihre Klimaziele aufweichten oder ganz aufgäben, sagt sie im Gespräch mit Marlene Brey.
Erst kurz vor Beginn der COP30 hat sich die EU auf einen Klimaschutzbeitrag für 2035 geeinigt: Die Treibhausgasemissionen sollen um 66,25 bis 72,5 Prozent gegenüber 1990 sinken. Deutschland hätte gerne die 72,5 Prozent vereinbart. Was bedeutet dieser Kompromiss für die Verhandlungen?
Anna Cavazzini: Das ist ein fatales Signal. Die EU, die sich lange als globale Vorreiterin im Klimaschutz positioniert hat, wirkt orientierungslos. Gerade jetzt, wo andere große Staaten ihre Klimaziele relativieren oder ganz aufgeben, wäre ein klares europäisches Bekenntnis zu einer Zahl entscheidend gewesen. Ich war kürzlich in Vietnam, einem Land, das sich als Entwicklungsstaat verpflichtet hat, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dort wurde ich gefragt: «Was ist los mit der EU?» Diese Irritation zeigt, wie sehr unser Zögern international wahrgenommen wird.
Die EU hat sich nach zähen Verhandlungen auch auf ein Klimaziel für 2040 verständigt: 90 Prozent weniger Emissionen im Vergleich zu 1990. Wie bewerten Sie diesen Beschluss?
Cavazzini: Ich bin enttäuscht. Zwar ist es gut, dass die EU ihren Klimaschutzbeitrag für 2035 und ihr Klimaziel bis 2040 gerade noch rechtzeitig vor der COP30 festgelegt hat, aber der Preis für die Einigung war hoch. Die tatsächliche Reduktion beträgt nur 85 Prozent - 5 Prozent dürfen über Ausgleichsprojekte im Ausland angerechnet werden. Zudem wurde der Start des Emissionshandelssystems ETS II für Gebäude und Verkehr auf 2028 verschoben. Das ist eine deutliche Abschwächung der europäischen Klimaambitionen.
Was bedeutet die Möglichkeit, 5 Prozent der Emissionsminderung durch Projekte außerhalb der EU zu kompensieren?
Cavazzini: Das ist ein gefährliches Schlupfloch. Studien zeigen, dass ausgelagerte Emissionsminderungen oft schwer überprüfbar und ineffektiv sind. Die Transformation muss innerhalb der EU stattfinden
- in unserer Industrie, im Verkehr, in der Energieversorgung. Auf dem Papier stehen zwar 90 Prozent, aber faktisch sind es nur 85. Das ist Augenwischerei.
Das Emissionshandelssystem ETS II galt bislang als zentrales Instrument, um CO einen Preis zu geben und klimafreundliche Innovationen zu fördern. Was bedeutet die Verschiebung?
Cavazzini: Es zeigt ein beunruhigendes Muster: Klimagesetze werden regelmäßig aufgeweicht oder verschoben, sobald sie in die Umsetzungsphase kommen. Die Argumente lauten stets:
Wettbewerbsfähigkeit, Belastung der Bürger. Doch gerade die Wirtschaft braucht Planungssicherheit. So mahnt etwa auch der Draghi-Bericht, dass die EU Kurs halten muss. Statt den ETS II zu verschieben, sollten wir Ausgleichsmechanismen wie das Klimageld einführen. Es ist entlarvend, dass jene Parteien, die stets marktorientierte Klimapolitik fordern, nun selbst ein Marktinstrument torpedieren.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der EU-Klimapolitik?
Cavazzini: Der Green Deal steht unter massivem Druck. Die fossile Lobby ist stark, und Teile der EVP lassen sich von rechtspopulistischen Kräften treiben. Dabei ist die wirtschaftliche Lage nicht durch Klimapolitik verursacht - das EU-Lieferkettengesetz etwa wird als Sündenbock dargestellt, obwohl es noch gar nicht in Kraft ist. Klimapolitik wird zum Blitzableiter, obwohl sie ein Wachstumstreiber sein kann.
Autor:Online-Redaktion |
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