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Gemeinsame Mahlzeiten, ein Bett zum Schlafen: In der Pfarrei St. Johannes Paul II. in Lwiw finden Geflüchtete Zuflucht. | Foto: Kirche in Not
  • Gemeinsame Mahlzeiten, ein Bett zum Schlafen: In der Pfarrei St. Johannes Paul II. in Lwiw finden Geflüchtete Zuflucht.
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Eine Oase auf dem Weg nach Polen“ sei seine Pfarrei aktuell, erzählt Pfarrer Grzegorz Draus dem weltweiten päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“.

Von Mirjam Petermann

Er leitet die katholische Gemeinde „St. Johannes Paul II.“ in der ukrainischen Stadt Lwiw, 70 Kilometer östlich von der polnischen Grenze entfernt. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar ist Draus zum Manager der Flüchtlingsströme geworden, die über die Stadt hereingebrochen sind: „Die ersten Flüchtlinge kamen einen Tag nach Beginn der Kämpfe bei uns an. Am ersten Wochenende hatten wir bereits 60 Personen aufgenommen, darunter 35 Kinder“, berichtet der Priester. Seither herrsche ein ständiges Kommen und Gehen. Mitglieder der Pfarrgemeinde haben Matratzen, Bettzeug und Lebensmittel zusammengetragen. Die Flüchtlinge werden im Gemeindehaus in allen verfügbaren Räumen aufgeteilt.

Die Menschen, die seither Obdach in der Pfarrei gefunden haben, kommen aus Kiew, Schytomyr, Saporischschja und vielen anderen Orten der Ukraine. Sie seien erschöpft und sehr verängstigt, erzählt Pfarrer Grzegorz. „Die Flucht dauert oft tagelang. Die Straßen sind verstopft, und es gibt viele Kontrollstellen.“ Die meisten der Ankömmlinge ziehen nach ein oder zwei Tagen weiter nach Polen. „Die Menschen rechnen nicht mehr in Wochentagen, sie sagen: Am ersten Tag des Krieges, am zweiten Tag und so weiter. Mir kommen die Tage wie Monate vor.“ Niemand weiß, wie lange Lwiw und der Westen der Ukraine von Kämpfen verschont bleiben; Luftalarm hat es bisher schon mehrmals gegeben.

Der Grenzübertritt zum Nachbarland Polen dauert derzeit Tage; sie stehen bis zu zwei Tage an der Grenze an, sagt Pfarrer Draus. An einzelnen Übergängen sei die Auto-Warteschlange bis zu 37 Kilometer lang. Seine Pfarrei unterstützt auch die Anlaufstellen dort, hat zum Beispiel Decken und Matratzen gespendet, damit die übermüdeten Menschen rasten können.

Doch nicht nur materielle Hilfe ist gefragt. Eltern sorgen sich auch um die Ausbildung ihrer Kinder, besonders, wenn diese einen speziellen Förderbedarf haben. Es habe sich herumgesprochen, dass in seinem Gemeindehaus Unterricht für Kinder mit Autismus stattfinde, sagt Draus. „Drei Familien aus Kiew haben sich deshalb an uns gewandt. Sie werden jetzt herkommen und bei uns wohnen – so Gott will. Und die Kinder können dann hier Unterricht erhalten.“

Die Gottesdienste in seiner Kirche seien aktuell weniger besucht als sonst, erzählt Priester Draus; viele Menschen hätten Angst, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Doch der Krieg bringe auch die Christen verschiedener Konfessionen zusammen, sagt er: „Am ersten Kriegswochenende haben in unserem Gemeindehaus Baptisten und Mitglieder einer Pfingstgemeinde übernachtet. Sie haben alle die heilige Messe besucht und ihre Erfahrungen mit uns geteilt.“ Überhaupt erlebe er, dass die Menschen nicht verzweifelten, sondern im Glauben Kraft finden: „Diejenigen, die zum Gottesdienst kommen, bleiben auch danach noch in der Kirche und beten gemeinsam. Gott ist da und hilft.“

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Mirjam Petermann

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