Kontroverse um Völkermord-Äußerung
Bischof Azar: Keine «politische Provokation»

Foto: epd-bild/Heike Lyding

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von «Völkermord» an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Sani Ibrahim Azar für Empörung gesorgt. Er bedaure sehr, dass seine Worte Irritation ausgelöst hätten, sagte der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land im Gespräch mit Christine Süß-Demuth. Mit seiner Predigt am Reformationstag habe er nicht spalten oder polarisieren wollen.

Bischof Azar, bei einem internationalen Gottesdienst in Jerusalem haben Sie im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg von «Völkermord» an den Palästinensern gesprochen. Daraufhin hat der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, den Gottesdienst aus Protest verlassen. Können Sie seine Reaktion verstehen?

Sani Ibrahim Azar: Ich bedauere sehr, dass meine Worte Irritation ausgelöst haben und dass Herr Lehrer sich dadurch verletzt fühlte. Ich verstehe, dass der Begriff «Völkermord» sehr belastet ist und Emotionen hervorruft. Meine Äußerungen waren jedoch keine politische Provokation, sondern eine seelsorgerliche Ansprache an meine Gemeinde in Jerusalem, die direkt von dem Konflikt betroffen ist.

Ich spreche als Hirte, dessen Verantwortung es ist, die Leiden meiner Gemeinde sichtbar zu machen, und nicht als Politiker. Ich respektiere die Kritik und nehme sie ernst, sehe aber auch die Notwendigkeit, die Perspektive der direkt Betroffenen zu teilen.

Kritik kam auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der Begriff «Völkermord» stehe einer Verständigung und Versöhnung entgegen. Wurden Sie missverstanden?

Azar: Meine Predigt adressierte seelsorgerlich die konkrete Situation in Jerusalem und war Ausdruck der Trauer und Sorge um Menschenleben. Sie war nicht als politische Position gegenüber Deutschland oder der jüdischen Gemeinschaft gedacht.

Ich stehe weiterhin fest zu meinem Engagement für Frieden und Versöhnung und verurteile jede Form von Gewalt, sei sie gegen Palästinenser oder Israelis gerichtet. In meiner Predigt wollte ich die Realität der Betroffenen darstellen und ihre Stimme hörbar machen, nicht spalten oder polarisieren.

Vor kurzem hatten Sie bei einem Besuch der badischen Landessynode Israelis und Palästinenser zu gegenseitigem Verständnis und zur Versöhnung aufgerufen. Wie optimistisch sind Sie, dass die Waffenruhe hält und es zu einem dauerhaften Frieden kommt?

Azar: Ich bin realistisch, aber auch hoffnungsvoll. Die Situation ist sehr komplex und geprägt von tiefer Verletzung und Misstrauen auf beiden Seiten. Dennoch glaube ich an die Kraft von Dialog, Menschlichkeit und gegenseitigem Respekt. Jede friedliche Initiative, jede Waffenruhe, ist ein Schritt hin zu Versöhnung. Christen, Muslime und Juden können gemeinsam ein Umfeld schaffen, in dem Hoffnung auf Frieden nicht nur möglich, sondern aktiv gestaltet wird.

Welchen Beitrag zur Versöhnung können die Christen im Heiligen Land leisten, auch im Dialog mit Juden und Muslimen?

Azar: Christen im Heiligen Land leben mitten in einem interreligiösen Kontext und können Brücken bauen, wo Misstrauen und Gewalt herrschen. Sie können Räume für Dialog schaffen, gemeinsame humanitäre Projekte initiieren und Zeichen der Solidarität setzen. Indem sie auf Verständigung, gegenseitigen Respekt und die Wertschätzung des Lebens bestehen, tragen sie aktiv zur Versöhnung bei.

Versöhnung beginnt oft in kleinen Begegnungen, in Nachbarschaften, in Schulen, Gemeinden und interreligiösen Initiativen. Ich habe gerade vor wenigen Tagen mit einer Rabbinerin aus Jerusalem geplant, wie wir wieder gemeinsam für den Frieden beten können.

Was wünschen Sie sich von Christinnen und Christen in Deutschland?

Azar: Ich wünsche mir, dass Christinnen und Christen in Deutschland weiterhin aufmerksam zuhören, informiert bleiben und Solidarität zeigen, ohne zu vereinfachen oder zu polarisieren. Ihre Stimme für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung kann international Gewicht haben. Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass die Stimmen der Betroffenen, besonders der verletzlichsten Menschen, gehört werden. Und vor allem: Seien Sie Brückenbauerinnen und Brückenbauer, die den Dialog zwischen den Religionen und den Menschen fördern.

epd

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