Kirchenentwidmung
Pröpstin: "Uns sind Menschen wichtiger als Steine"

Friederike Spengler | Foto: EKM

Jede fünfte evangelische Kirche Deutschlands steht auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Nicht alle Gotteshäuser können in einer zunehmend säkulareren Umwelt bestehen. Seit 1990 wurden in Mitteldeutschland elf Kirchen aufgegeben, fünf davon in Thüringen. Das sorgt in Ostthüringen für offenen Hass.

Ende vergangener Woche trat die EKM Falschmeldungen entgegen, aus einer ihrer Kirchen solle eine Moschee werden. Im ostthüringischen Aubachtal, einem Stadtteil von Greiz, sei lediglich eine Kirche entwidmet und danach zum Verkauf angeboten, sagte Regionalbischöfin Friederike Spengler.
Das Gebäude werde seit 2016 nicht mehr gottesdienstlich genutzt und sei in einem Zustand, der einen dauerhaften Erhalt unmöglich mache, begründete sie den Schritt.


„Wir müssen mit Abstufungen leben – von gut saniert und super nutzbar bis hin zur einfachen Verkehrssicherung"

Die Pröpstin wies Gerüchte, die auch in anonymen Flugblättern vorgetragen würden, zurück, dass aus der Kirche eine muslimische Gebetsstätte werde. Es gebe weder muslimische Kaufinteressenten, noch Pläne zum Einrichten einer Moschee, hieß es von der Kirchengemeinde. Auch Vorwürfe der AfD, die evangelische Kirche sei zum verlängerten Arm der Regierung und zum Komplizen der Antifa geworden und entferne sich mit dem Verkauf noch weiter von den Menschen, seien „völlig absurd“.

Die Kirche in Aubachtal im Kirchenkreis Greiz werde nach der Entwidmung auf dem Immobilienportal der EKM zum Verkauf eingetragen, kündigte Pfarrer Christian Colditz an. Nutzungskonzepte von Kaufinteressenten würden genau verglichen. „Es liegt im Interesse der Kirchengemeinde Greiz, dass das Gebäude einer ausschließlich kulturellen Nutzung zugeführt wird“, erklärte er.

Allein im Landkreis Greiz müssen nach Spenglers Angaben 99 Kirchen erhalten werden. „Findet sich keine andere Lösung, suchen wir lieber eine sinnvolle und der Öffentlichkeit dienliche Nachnutzung, anstatt eine Kirche verfallen zu lassen“, sagte sie. Vorrang habe die Konzentration der Kapazitäten auf die Arbeit mit den Menschen. „Sie stehen bei uns im Mittelpunkt und nicht Steine“, fügte sie hinzu.

Gleichzeitig verwahrte sich Spengler dagegen, Religionen gegeneinander auszuspielen. „Unser Leben in Frieden, das wird zukünftig auch davon abhängen, wie die Religionen miteinander umgehen. Wir wollen den Dialog, auch mit Muslimen“, erklärte die Bischöfin. Die Garantie der Religionsfreiheit sei ein hohes Gut. Dazu gehöre selbstredend, dass alle ihre Religion ausüben dürften.

Auf dem Gebiet der EKM gibt es etwa 4000 Kirchen und Kapellen; das ist etwa jedes fünfte protestantische Gotteshaus in Deutschland. Die mittlere Zahl der Gemeindeglieder pro Kirche liegt laut EKM in der Landeskirche bei 178, in der EKD bei 1190.

99 Prozent der Kirchen stünden unter Denkmalschutz, sagte EKM-Baureferentin Elke Bergt. Bei etwa der Hälfte der Gotteshäuser bestehe noch Instandsetzungsbedarf an Dächern, Fassaden und Türmen. Inzwischen liege der Anteil einsturzgefährdeter, baupolizeilich gesperrter und damit unbenutzbar Kirchen in der EKM bei unter einem Prozent – zehnmal weniger als im Jahr 1989.

„Ob sich die Landeskirche von weiteren Kirchen trennen muss, bleibt abzuwarten“, erklärte Bergt. Nicht alle Gebäude könnten in gleicher Art und Weise erhalten bleiben: „Wir müssen mit Abstufungen leben – von gut saniert und super nutzbar bis hin zur einfachen Verkehrssicherung, je nach Kraft der Gemeinden und gegebenenfalls ihrer Unterstützer.“

(epd) 

Autor:

Online-Redaktion

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