Lampedusa
Willkommensgruß für Flüchtlinge

- Molo Favaloro: An dem Landungssteg auf Lampedusa begrüßt die 24-jährige Studentin Arianna aus Bologna die Flüchtlinge.
- Foto: epd-Bild/Ingo Lehnick
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Die italienische Insel ist ein Urlaubsparadies – und zugleich Ziel zahlreicher Bootsflüchtlinge, die von Nordafrika nach Europa wollen. Willkommen sind sie eher nicht. Dennoch erleben sie bei ihrer Ankunft Menschlichkeit.
Von Ingo Lehnick
Der Molo Favaloro ist ein unwirtlicher Ort. An dem kurzen Landungssteg der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa, in Sichtweite zum Yachthafen, treffen fast täglich Bootsflüchtlinge aus Nordafrika ein: meist barfuß, hungrig und erschöpft, verletzt oder traumatisiert – und erleichtert, dass sie die gefährliche Überfahrt von Tunesien oder Libyen überlebt haben. Wenn sie an Land gehen, sollen sie so schnell wie möglich aus dem Hafenbild verschwinden und ins nahegelegene Erstaufnahmelager, den sogenannten Hotspot, gebracht werden. Sitzmöglichkeiten gibt es an dem Pier fast keine, die Toiletten funktionieren seit Jahren nicht, obwohl Hilfsorganisationen immer wieder auf Abhilfe dringen.
Dennoch werden die Ankommenden nicht nur als lästige Mi-granten betrachtet, deren Zahl die EU mit allen Mitteln begrenzen will. Das liegt vor allem an Leuten wie Arianna: Direkt am Pier begrüßt die 24-jährige Studentin aus Bologna die entkräfteten und verunsicherten Männer, Frauen und Kinder, die aus den Booten steigen. Sie gehört zu einer Gruppe von Freiwilligen, die bei jeder Bootsankunft vor Ort sind. Sie schauen den Menschen freundlich in die Augen, sprechen mit ihnen, verteilen Wasser und Lebensmittel, bieten Decken, Kinderbekleidung und Windeln an, die sie in schlichten Kisten am Pier bereithalten. Einfache Gesten der Menschlichkeit.
«Es ist unsere humanitäre Mission, die Menschen willkommen zu heißen», sagt Valeria Sottani von Mediterranean Hope. Die Hilfsorganisation des Bundes Evangelischer Kirchen in Italien unterhält seit Jahren eine Beobachtungsstelle auf Lampedusa und organisiert die Begleitung der Flüchtlinge, an der sich auch katholische Ordensschwestern beteiligen. «Das sind unsere Schwestern und Brüder», sagt eine von ihnen über die Flüchtlinge. Dass die meisten keine Christen seien, spiele keine Rolle.
«Wir sagen den eintreffenden Menschen, wo sie sind, dass sie in Sicherheit sind und wie es weitergeht», berichtet Arianna. Die Flüchtlinge werden zum Krankenwagen oder zum Bus begleitet, der sie zum Hotspot bringt.
Arianna ist angerührt von den Schicksalen, die ihr in ihren ersten vier Wochen auf Lampedusa begegnet sind. Mit vielen Schwangeren und Müttern habe sie gesprochen. Schockiert war sie, als einmal ein Boot mit 50 Menschen ankam, von denen nur zehn noch am Leben waren. In solchen Momenten zeige sich, wie wichtig die Begleitung der Menschen sei, die oft Schlimmes erlebt und all ihr Hab und Gut hinter sich gelassen haben. Die Freiwilligendienste dauern meist nur zwei Monate, um möglichst vielen jungen Leuten solche Erfahrungen zu ermöglichen, ohne sie zu überfordern.
Rund 42 000 Asylsuchende und Migranten landeten laut der Mediterranean-Hope-Beobachtungsstelle 2024 am Molo Favarolo, im Vorjahr waren es mehr als doppelt so viele gewesen. Im ersten Halbjahr 2025 wurden gut 20 600 Flüchtlinge gezählt, von denen 90 Prozent im gut 300 Kilometer entfernten Libyen in See stachen. Viele Menschen überleben die Überfahrt nicht: Die Internationale Organisation für Migration (IOM) verzeichnet mehr als 32 000 Tote und Vermisste im Mittelmeer seit 2014, die Dunkelziffer ist sehr viel höher.
epd
Autor:Online-Redaktion |
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