Osterwort
Wider die Erfahrung

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An der Auferstehung Jesu Christi von den Toten scheiden sich die Geister. Das war immer so. Kein Wunder, denn es geht um mehr als die Rückkehr eines Totgeglaubten ins irdische Leben.

Von Friedrich Kramer

Die Auferstehung Jesu ist schon für antike Ohren eine unglaubliche Geschichte. Paulus erntet Kopfschütteln, als er vor Philosophen auf der Agora in Athen von ihr spricht. Der Philosoph Celsus spottet über die Auferstehungszeugen: eine hysterische Frau und Männer aus dem Kreis der Betrüger um Jesus. Immer neue Erklärungen wurden entwickelt, um der Botschaft von der Auferstehung die Kraft zu nehmen. Da ist von einem Leichenraub der Jünger die Rede oder von Halluzinationen, mit denen man sich den Auferstandenen herbeifantasiert hätte.

Ja, die Auferstehungsbotschaft provoziert so wunderbar bis heute, denn sie widerspricht gängiger Erfahrung. Die Grenze zwischen Leben und Tod ist doch endgültig, unüberbrückbar, wer sie einmal überschritten hat, kehrt nicht mehr zurück. Der Tod ist die Kränkung des Menschen, der sich nach Beständigkeit und Bedeutung, nach Beziehungen, die den Tod überdauern, sehnt, und führt die Vergänglichkeit in aller Schmerzlichkeit vor Augen.

Auferstehung gibt es nicht, das war auch die Meinung der Skeptiker in der Gemeinde von Korinth. Paulus antwortet ihnen in seinem Ersten Brief an die Gemeinde in Korinth und hat im 15. Kapitel einen der eindrucksvollsten Ostertexte des Neuen Testaments geschaffen, den es in diesem Jahr zu predigen gilt. Eindrucksvoll ist der Text schon deshalb, weil Paulus die Bedeutung der Auferstehung für den christlichen Glauben nicht etwa mit dem leeren Grab beginnen lässt, sondern ganz nüchtern konstatiert, dass Christus gestorben ist und begraben wurde. Der Neubeginn ist nicht der Fund des leeren Grabes, sondern das Erscheinen des Auferstandenen. Jesus lässt sich sehen, zuerst von den Jüngern, dann von anderen Aposteln, schließlich auch von Paulus selbst, dem Christenverfolger, der durch dieses Geschehen buchstäblich neu sehen lernt und zu einem Jünger wird.

Ein besonderes Sehen also ist nötig, um den Auferstandenen zu erkennen. Entscheidend ist, wie man auf die Wirklichkeit blickt: Tod oder Leben, Angst oder Hoffnung, irdisches oder ewiges Leben – an der Auferstehung scheiden sich die Geister. Und an der Auferstehung hängt alles. Wird sie bestritten, hat der Glaube keine Grundlage mehr, denn dann ist Christus im Tod geblieben. Alles bleibt, wie es war, wir sind gefangen in der Enge des irdischen Lebens, die Toten sind für immer verloren, kein Ausweg, nirgends.

Paulus hält den Skeptikern aus Korinth, diesen ersten Skeptikern in der langen Reihe der Auferstehungsleugner, entgegen, dass es nichts nützt, sein Heil in der Zuflucht zu dem Mann aus Nazareth zu suchen, wenn man in ihm nicht den Anfang einer alles verändernden Wirklichkeit sieht, die nicht am Ende des irdischen Lebens Halt macht, sondern mit der Auferstehung über diese Welt hinausreicht. Nur als Auferweckter und zu Gott erhöhter Herr ist Jesus richtig verstanden. Jesus erwartete, dass wir uns einlassen auf die in seinem Wirken erfahrbare Gegenwart Gottes, die unsere Wirklichkeit unter ein ganz neues Vorzeichen stellt.

Es geht nicht einfach um die Rückkehr eines Totgeglaubten ins irdische Leben. Der physische Tod wird nicht geleugnet, er wird auch nicht einfach rückgängig gemacht. Der Tod gehört zum Leben, er kann nicht verdrängt, sondern muss überwunden werden. Der Auferstandene kehrt nicht so zurück, wie man ihn kannte, sondern zeigt sich in neuer Gestalt. Es braucht die Augen des Glaubens, um ihn zu erkennen, eine Sehfähigkeit, die im Kreuz die Erhöhung, im Tod das Leben, im Gekreuzigten und Begrabenen den Auferstandenen zu sehen vermag. Den ersten Christen wurden die Augen geöffnet und sie bekamen diese Sehfähigkeit geschenkt und schenkten sie weiter. Den Auferstehungsblick annehmen, sonst sieht man nur Halluzinationen und Betrug, bleibt gefangen im Hier und Jetzt und verfehlt die große Freiheit, die nur der österliche Blick schenken kann.

Die Osterbotschaft ist die überwältigende Erfahrung der Macht Gottes, die einbricht in das Dunkel des Karfreitags. Der Tod kann deshalb für uns Christen nicht ohne Auferstehung betrachtet werden. So wird deutlich, warum Paulus darauf besteht, dass mit der Auferstehung der christliche Glaube steht und fällt. Wer zu Christus gehört, hat die Grenze von Leben und Tod schon hinter sich gelassen.

In der Taufe, die oft zur Osternacht gefeiert wird, geschieht genau dies – durch den Tod ins Leben, durch die Fluten in den neuen Herrschaftsbereich Gottes. Wer die Auferstehung Christi heute in der Welt sehen will, der öffne seine Augen und schaue auf die Taufe – dort steht Christus wieder auf.

Leben aus der Kraft der Auferstehung – das ist ein neuer, ein anderer Blick auf die Welt. Zu Ostern stellen wir uns als Christen in jedem Jahr wieder in die Reihe der Auferstehungszeugen vom Ostermorgen und bekennen mit leuchtenden Augen:

Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!

Der Autor ist Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. 

Autor:

Praktikant G + H

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