Pfarrer: Widerstand hat politische Gründe
Lebenswirklichkeit nicht wahrgenommen

Die Ablehnung der Corona-Maßnahmen in Teilen der Bevölkerung hat nach Auffassung des evangelischen Pfarrers Justus Geilhufe aus dem Erzgebirge politische Gründe. „Die Krise im Zusammenhang mit der epidemischen Lage hat eine gesellschaftliche Dimension“, sagte Geilhufe. Das habe wenig mit einer Impfskepsis zu tun. Was andere Krankheiten angehe, gebe es im Osten hohe Impfquoten, etwa bei der Grippe, der Kinderlähmung oder den Masern. Das sei ein Erbe der DDR.

Der mittlerweile fast schon militante Widerstand gegen Corona-Maßnahmen sei nicht durch eine esoterische oder libertäre Ablehnung einer Corona-Impfung zu verstehen, sondern sei ein Symptom des Vertrauensverlusts in die Verantwortungsträger der Gesellschaft. Der 31 Jahre alte Pfarrer sagte, es gebe keine funktionierende Kommunikation mehr zwischen der Bundes- und Landesregierung und den Menschen etwa im Erzgebirge, deren Lebensrealität nicht wahrgenommen werde. Der Erzgebirgskreis habe einen der bundesweit niedrigsten Durchschnittslöhne, es gebe viel Abwanderung. Laut einer Erhebung aus dem Jahr 1993 habe damals jeder Zweite zwischen 25 und 60 Jahren mindestens einmal im Leben Arbeitslosigkeit erlebt. Das verursache existentielle Unsicherheit.

Zudem siedelten sich große Unternehmen zwar oft mit einer Produktion im Osten an, weil dort die Löhne niedriger seien. Doch die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen oder der Firmensitz seien dann in Westdeutschland. Richtersitze, Museumsdirektoren oder Professuren würden fast immer mit Menschen mit westdeutschen Bildungsbiografien besetzt. Das führe vielfach zu einem Gefühl der Entwertung. „Wenn ich 30 Jahre lang das Gefühl habe, nirgendwo mitmachen zu dürfen, dann mache ich auch nicht mit“ – eine solche Haltung sei leider mittlerweile verbreitet, so Geilhufe. Dieses Gefühl münde dann in eine irrationale Ablehnung der Corona-Maßnahmen samt der Corona-Impfung. Hinzu kämen rechtsextremistische Strukturen und Netzwerke.

Wichtig sei, dass es mehr Ostdeutsche in repräsentative Ämter und Funktionen schafften. Dazu müsse man die Menschen aber auch motivieren mitzugestalten, sonst könne sich nichts verbessern. „Dort, wo Diskurse und Mentalitäten geprägt werden, brauchen wir gute Identifikationsfiguren und auf der anderen Seite die Überzeugung, dass Ostdeutsche mit ihrer Biografie Wertvolles beitragen können“. (epd) Hintergrund

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Online-Redaktion

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