Judentum
«Gedächtnis» der Juden in Deutschland ist umgezogen

Ittai Joseph Tamari ist Direktor des Zentralarchivs. | Foto: Philipp Rothe/Zentralrat der Juden
  • Ittai Joseph Tamari ist Direktor des Zentralarchivs.
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Jüdisches Leben in Deutschland ist keine Selbstverständlichkeit. Nach der Schoa lebten 1950 nur noch 15.000 Juden in Deutschland, heute sind es rund 200.000. In neuen Räumen bewahrt das Heidelberger Zentralarchiv das jüdische «Gedächtnis».

Mit einem Festakt hat das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland in Heidelberg seinen Umzug in neue Räumlichkeiten begangen. Die Sammlung bewahrt Schriften, Akten und Protokolle jüdischen Gemeindelebens in Deutschland ab 1945 auf. Das Archiv wurde 1987 in Heidelberg gegründet und ist eine Einrichtung des Zentralrats der Juden in Deutschland. Das Bundesinnenministerium trägt die Kosten der Einrichtung mit jährlich rund 900.000 Euro.

«Das neue Archiv steht für die Existenz jüdischen Lebens im Nachkriegsdeutschland», sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bei der Eröffnungsfeier. Es brauche Orte wie das Archiv, um das Wissen über jüdisches Leben zu verbessern und damit den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken, betonte Schuster. Das Wissen über Judentum beschränke sich bei vielen Menschen auf das Stichwort «Reichspogromnacht».

Seit Anfang des Jahres hat das Zentralarchiv die neuen Räume in einer ehemaligen Tabakfabrik in Heidelberg bezogen. Die Sammlung, die zuvor in zahlreichen Außenstellen verteilt war, enthält unter anderem Akten und Aufzeichnungen jüdischer Bürger, Literatur über das Judentum in Deutschland sowie Dokumente aus der Weimarer Republik, der Zeit des Nationalsozialismus und dem Holocaust. Protokolle von Vorstandssitzungen, alte Handwerkerrechnungen, Familiennachlässe und Baupläne bilden jüdisches Gemeindeleben in der deutschen Nachkriegszeit ab.

Neben der Geschichte der Juden im Kraichgau finden sich in dem Archiv Sammlungen Frankfurter Juden sowie Berichte von Holocaust-Überlebenden, die in den ersten Nachkriegsjahren in Polen aufgezeichnet wurden. Insgesamt umfasst die Sammlung laut dem Zentralrat der Juden in Deutschland mehr als 2.300 Regalmeter Kartons. Neben der Sammlung von Dokumenten sei auch der Aufbau einer digitalen Datenbank zur Erweiterung des weltweiten Austauschs mit anderen Archiven geplant.

Die Bestände des Archivs werden den Angaben zufolge vor allem von Studenten für wissenschaftliche Zwecke genutzt. Darüber hinaus gebe es Bitten um Akteneinsicht von Geschichtsvereinen, Museen, Familienforschern - zuletzt zunehmend auch aus den USA, erklärte der Zentralrat der Juden in Deutschland.

Für das Bundesinnenministerium erinnerte Staatssekretärin Anne Katrin Bohle bei dem Festakt daran, dass bis 1933 ein Drittel aller Nobelpreisträger Juden gewesen seien. «Dieser Esprit wurde mit den Nationalsozialisten ausgelöscht», sagte Bohle. In dem Archiv finde sich dieses «blühende, intellektuelle Leben» wieder.  (epd)

Autor:

Katja Schmidtke

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