Angemerkt
Die Kirche, die Wahlen und die AfD

EKM-Kirchenleitung und Journalisten beim Presse-Gespräch in Halle | Foto:  Frieder  Weigmann
  • EKM-Kirchenleitung und Journalisten beim Presse-Gespräch in Halle
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Zum Jahresanfang lädt die EKM traditionell Journalisten zum Gespräch ein, um einen Ausblick auf die Themen zu geben, mit denen sich die Landeskirche beschäftigen will, und die sie für medienrelevant hält.

von Willi Wild

Bis vor einem Jahr hieß dieser Termin noch anheimelnd „Kamingespräch“. Allerdings fehlt der Kamin, und so wurde daraus ein nüchternes „Presse-Gespräch zum neuen Jahr“ in Halle bei der Diakonie Mitteldeutschland. Der Kamin brannte virtuell vom Flachbildschirm. Besonders hitzig waren die Gespräche trotzdem nicht. Zumal die erste Stunde Monologen von Landesbischof, Landeskirchenamts-Präsident, Dezernenten und dem Diakonie-Chef vorbehalten war.

Zu den Themen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU), Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche, 500 Jahre Gesangbuch und Umgestaltung des Erfurter Augustinerklosters sowie dem Armutsbericht der Diakonie Mitteldeutschland gab es schriftliche Zusammenfassungen. Zum Thema Wahljahr und der Positionierung der EKM im Umgang mit der AfD hat es die nicht gegeben. Auf die Nachfrage, wie man Kirchengemeinden auf mögliche Diskussionen vorbereitet, folgten, neben den üblichen Hinweisen zu Wahlaufrufen und Bannern gegen Rechtsextremismus, allgemeine Vorschläge und Ideen. Allein die Diakonie Mitteldeutschland konnte eine Broschüre für die Mitarbeiter ihrer Mitglieds-Einrichtungen mit Grundsätzen und Handlungsempfehlungen zum „Umgang mit der AfD und anderen rechtsextremen und rechtspopulistischen Organisationen“ vorstellen.

Landesbischof Friedrich Kramer ermutigte zwar die Kirchengemeinden, sich in die Debatten im Vorfeld der Europawahl und der Thüringer Landtagswahl einzubringen. Prinzipiell wolle die Kirche mit allen Menschen ins Gespräch kommen oder im Gespräch bleiben, so Kramer. Er sprach sich auch dagegen aus, AfD-Kandidaten von Gesprächsrunden generell auszuschließen. Der Bischof schränkte jedoch ein, dass die Führung der in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei davon ausgenommen sei: „Mit einem Björn Höcke werden wir nicht diskutieren.“ Zumal er nicht ausschließen könne, dass Debatten auch im kirchlichen Raum parteipolitisch instrumentalisiert würden. Es komme darauf an, dass Kirchengemeinden als Veranstalter von Kandidaten-Vorstellungsrunden gut vorbereitet seien. Die Landeskirche wolle deshalb geeignete Moderatoren ansprechen und schulen.

Allerdings scheint hier gerade das Problem zu liegen: Die Kirchengemeinden könnten mit der Aufgabe überfordert sein. Moderatoren vom Format und mit der Erfahrung des Geraer Pfarrers Frank Hiddemann sind selten oder nicht greifbar. Es ist reichlich naiv zu glauben, dass man mal eben eine konstruktive politische Diskussion im Gemeindehaus veranstalten könne. In vielen Gemeinden fehlen derzeit sowohl die Zeit als auch die Ressourcen für derartige Sonderveranstaltungen. Zu komplex sind die Themengebiete, die bei einer Europa- oder Landtagswahl zu verhandeln wären. Hinzu kommt, dass die Kandidaten sicher ihre Claqueure mitbringen oder sich Gegner auf den Plan gerufen fühlen. Es reicht also nicht aus, lediglich die Moderatoren zu schulen. Sicher bräuchte es auch ein Kriseninterventionsteam, das bei einer Eskalation weiß, was zu tun ist.

Die Gefahr der Spaltung einer Kirchengemeinde ist eher gegeben als ein zivilgesellschaftlicher Nutzen einer derartigen Veranstaltung. Alles in allem scheint das Angebot von Gesprächsrunden ein riskantes Unterfangen. Und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass neben wohlfeiler Parteiprogrammatik und gegenseitiger Schuldzuweisung nicht viel dabei herauskommt. Wäre es da nicht angebracht, anstatt sich auf politisches Terrain zu begeben, bei kirchlichen Formaten zu bleiben? Die Friedliche Revolution war nicht nur, aber auch eine Revolution der Kerzen und Gebete. Vielleicht wären gerade Gebetsgruppen, ein „politisches Nachtgebet“ oder Andachten und Bibelgesprächsabende zur demokratisch-christlichen Verantwortung eher das Feld kirchlicher Betätigung im Vorfeld der Wahlen.

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