Mission statt Fluktuation
Das Potenzial ist riesengroß

Justus Geilhufe | Foto: epd-bild/Justus Geilhufe

Kirchenkrise – ja schon, aber es geht auch anders, meint Justus Geilhufe. Im Gespräch mit Karsten Huhn erklärt der 32-jährige Pfarrer aus Sachsen, warum Schrumpfen nicht die Zukunft der Kirche sein muss.

Die Freiburger Studie zur Mitgliedschaftsentwicklung der ­Kirchen besagt, die Volkskirchen verlieren bis 2060 die Hälfte ihrer Mitglieder.
Justus Geilhufe: Wir werden aber noch viele missionarische Aufbrüche erleben. Mich beeindrucken zum Beispiel die Erprobungsräume in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und die große Kreativität, mit der man dort versucht, Menschen mit dem Evangelium zu erreichen. Gerade bei jüngeren Pfarrern erlebe ich eine große Lust, Leute zu gewinnen, die vorher noch nie einen Schritt in die Kirche gemacht haben. Das missionarische Potenzial ist riesengroß: Von den 45 Schülern, die bei uns in die erste Klasse gehen, sind vielleicht 5 in der Kirche und 40, die ich erreichen kann.

Wie machen Sie das?
Unser Renner ist die Kinderchor-Arbeit. Wir haben für die Kinder jetzt eine Sonntagskirche, und unsere Junge Gemeinde bietet eine offene Jugendarbeit. Sie wird ebenso von Jugendlichen organisiert wie die Konfirmandenarbeit. Und wir haben in diesem Sommer mit einer Jüngerschaftsschule aus der Schweiz erstmals ein missionarisch geprägtes Sommerlager in unserem riesigen Pfarrgarten veranstaltet, an dem 40 Jugendliche teilgenommen haben. Das Ziel ist es, die Jugendlichen zu Missionaren auszubilden.

Was lässt sich vom Osten lernen?
Zum Beispiel, dass die Kirche künftig sehr arm sein wird, und man davor keine Angst haben muss. Die Kirche wird nur noch für wenige Dinge Geld haben, aber man kann vor Ort trotzdem seine Arbeit tun.

Sie sind für viele Gemeinden zuständig. Wie schaffen Sie das?
Relativ gut. Die Gemeinden kennen die Situation und stimmen ohne großen Neid ab, wie das gehen kann. Als Pfarrer brauche ich eine gute Selbstwahrnehmung: Ich muss lernen, dass ich nicht überall sein kann, und ein Gefühl dafür entwickeln, wo ein guter Ort ist, um etwas zum Wachsen zu bringen.

So sprechen Sie jetzt, mit 32. Wenn Sie sich in 20 Berufsjahren verschlissen haben, kann das ganz anders ­aussehen.
Wer weiß, wie ich in 20 Jahren darüber rede? Ich habe größten Respekt vor den Kollegen, die schon 20 Berufsjahre hinter sich haben. Ich kenne aber auch viele, die auch noch mit 60 Jahren vor Elan sprühen. Ich hoffe darauf, dass Gott mir die Kraft gibt – und außerdem kommt meine Kraft aus der Gemeinde.

Viele Pfarrer erleben doch, wie die Gemeinde Kraft von ihnen abzieht.
Weil jeder etwas vom Pfarrer will? Ich organisiere ja geistliche Begleitung und Einkehrtage für Pfarrer in einem Haus der Stille. Dort lernen Pfarrer, mal abzuschalten und nichts zu tun. Meiner Gemeinde sage ich: Ich schaffe es nicht, alle zum Geburtstag zu besuchen. Dafür reicht meine Zeit nicht. Stattdessen haben wir einen Besuchskreis von Ehrenamtlichen gegründet – und das funktioniert super. Deswegen habe ich auch überhaupt keine Angst davor, dass wir bald weniger Geld haben werden. Darin steckt großes Potenzial.

Reden Sie sich die Lage schön?
Die Lage ist total schön! Das klingt vielleicht schwärmerisch, aber es ist so. 2022 wird unsere Gemeinde wahrscheinlich nicht schrumpfen.

Wie kann das sein?
Ich habe drei Glaubenskurse angefangen, und nach jedem Kurs haben sich Erwachsene taufen lassen. Und die Austrittszahlen sind bei uns gering. Die Wahrheit ist: Missionarische Initiativen funktionieren. Das ist auch für unsere Gemeinde schwer zu verstehen. Im Osten ist man ja mit dem Gedanken aufgewachsen: Wir bleiben unter uns. Mein Vater sagt mir: „Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, mit Glaubenskursen anzufangen.“ Die Landeskirchen machen den Fehler, missionarisches Verhalten immer den Freikirchen zuzuschreiben. Warum missionieren wir nicht selbst? Ich fände es super, wenn in jeder Gemeinde Glaubenskurse genauso normal wären wie Christenlehre und Konfirmandenunterricht.

(idea)

Autor:

Online-Redaktion

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