Evangelische Kirche in Mitteldeutschland - Glaube und Alltag

Beiträge zur Rubrik Glaube und Alltag

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crying in the chapel
OFFENE KIRCHEN!

CRYING IN THE CHAPEL Die Tür war offen. Das war das Erste. Und es roch nach Staub, Stein und alter Zeit. So wie Dinge eben riechen, wenn sie eine lange Geschichte hinter sich haben und eine noch längere vor sich. Ich trat ein. Die Sonne draußen brannte, aber hier drin war es still und kühl. Ein paar Fliegen lagen auf der Fensterbank. Tot. Die Beine zum Himmel gestreckt wie nichts … Und da war sie. Nicht die Fliege. Sondern sie. Sie saß in der zweiten Bankreihe, kniete nicht, sondern saß. Der...

vom Auftrieb des Geistes
die Möwe zum Beispiel ...

Schau nach der Möwe am Rande des Meeres. Dort, wo Wasser und Festland sich zu jeweiliger Weite ausdehnen. In stummer Anmut nutz der Vogel die Thermik, um sich empor tragen zu lassen. Man begreift mit einem Mal, dass es in der Schöpfung Bewegungen gibt, die nicht nur mechanisch zu verstehen wären, sondern als Sinnbilder bedeutungssatter Zusammenhänge. Alle Vögel überhaupt, erfüllt von einem geheimen Wissen um die Strömungen der Luft, wissen sich dem Auftrieb anzuvertrauen – nicht so sehr, um der...

auf den Tag Peter & Paul 29. JUNI
zwei Männer am Rand der Welt

Sie saßen sich gegenüber wie zwei alte Fischer, die dieselbe Strömung für etwas Entgegengesetztes hielten. Der eine Mann war grob, breit, wettergehärtet. Petrus. Felsen genannt, innerlich wie altwürziges Brot. Der andere war schmal, zäh, ein Intellektueller mit vernarbtem Eifer. Paulus. Zeltmacher. Philosoph. Missionar aus Trotz. Jerusalem kochte unter der Sonne. Der Wind brachte Staub und alles andere - nur keine Klarheit. Und doch musste man über alles das reden. Und da ging es nicht nur um...

ein Hochaltar aus Blei
Leberecht Gottlieb (Teil 133)

133. Kapitel, welches Leberecht Gottlieb in ein russisches Bleibergwerk einfahren lässt und uns vor den "Hochaltar der triumphierenden Kirche“ führt ...  Es geschah an seinem ersten Frontage drunten im Blei, dass unser Held Leberecht Gottlieb - dermaleinst Pfarrer, nun aber verbannt nach Workuta - dass er also am Morgen hinabfuhr in den Schlot zur Tiefe des Berges. Hier würde er gefangen bleiben, hatte man ihm bedeutet, bis er die Baupläne des Raumzeitgleiters endlich preisgegeben. Wenn nicht,...

auf den 25. Juni ...
Tag der Confessio Augustana

Die Sünder im Schatten der Goldschrift Es war ein milder Tag im Juni. Augsburg anno 1530 - und die Stadt stand unter Spannung wie ein Drahtseil im Sturm. Der Kaiser war gekommen, Karl der Fünfte höchstselbst, in prachtvoller Erscheinung und mit der Unruhe eines Mannes, der mehr Reiche als Stunden am Tag regieren musste. Er wollte Einigkeit im Glauben. Er wollte Ordnung. Er wollte keine Bauernaufstände mehr, keine Zersplitterung, keinen frommen Aufruhr mit Mistgabeln. Und so traten sie zusammen,...

GOTTES TRAUBEN
theologische Parabeln (1)

I. Der Abtritt des Glaubens In seiner kargen Zelle, im verwaisten Kloster am Rande der Welt, saß der Mönch. Man hatte ihn einst Bruder Laurentius genannt. Selber nannte er sich jetzt nur noch „Ex“. Das Habit hatte er behalten – aus Ironie. Als Zeichen, um sich zu erinnern, wovon er sich befreit hatte. „Es gibt keinen Gott“, sagte er als Morgengruß laut in die kühle Leere. „Keinen Schöpfer, keinen Erlöser, kein Jenseits. Nur Dummheit, Fiktion und Klerus.“ Ein leiser Ton antwortete aus der Wand....

Johannestag 24.6.2025
Wer ist dieser Mann?

Mann im Kamelhaar – was haben wir mit dem zu tun? (Evangelium: Mk 1,2–8 / Lk 3,1–18) Es ist eine merkwürdige Gestalt, die uns der heutige Johannestag in die Gottesdienste treibt. Kein sanftmütiger Erlöser, kein heiliger König mit Harfe, kein Hirte, der das verlorene Schaf sucht – sondern ein Ausgezehrter. Einer, der mehr nach Bußpredigt riecht als nach Rosenöl. Johannes, der Täufer. Ein Mann im Gewand aus Kamelhaar. Das kratzt. Das juckt. Das trägt man nicht aus Stilgründen, sondern aus Trotz....

Lazarus
und der Namenlose Reiche

Er kleidet sich in Purpur und in Leinen? Man feiert Saus und Braus und großes Fest? Das schlemmt und prasst tagtäglich mit den Seinen - und Lazarus - bekommt nicht mal den Rest? Zwar lecken rein mit ihren Zungen Hunde die Schwären ihm von Eiter und von Pest ... doch starb der Arme trotzdem an der Wunde - ward flugs getragen gleich nach seinem Tod in Abrams Schoß und so zur selben Stunde kam Scham mit Gram zu Ende und die Not. Bald ging es mit dem Reichen auch an's Sterben und musst er steigen...

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1.Sonntag nach Trinitatis
Johannesevangelium 5,39-47

... Manchmal hat man das Gefühl, die Menschen wären dabei, ihre Welt dadurch zu verlieren, dass sie dieselbe eintauschten gegen ein „Buch ÜBER die Welt”. So viele Bücher gibt es, so viele Erklärungen. So viele Definitionen von Wahrheit – und darunter leidet die Wirklichkeit selbst, die in den Büchern beschrieben wird. Wir Menschen sind Leser geworden. Lesende Wesen, absonderlich in einer Gier, das Weltgeschehen in Buchstaben und Bilder zu bannen, um es besser ertragen zu können. Jesus sagt:...

Disputatio
Haut und Gnade

Disputatio inter Benedictum XVI. et Tertullianum Novum. Cum conclusione honestae cosmetistae dominae O’Flannagan ex insula Hiberniae THESIS BENEDICTI: Worüber wir reden? Über die glatte Haut der Erlösten. Was wir den Gläubigen darreichen? Eine ausgewogene Polemik über Rechtfertigung, Marienstatuen und das protestantische Urmissverständnis I. Einleitung: Der Protestantismus als theologischer Eiertanz Es ist bemerkenswert, wie der Protestantismus, dieser aus der hypertrophen Gewissensnot eines...

Z.B. KYRIE ELEISON
LITURGIE als WERK

Sprache als schöpferischer Akt: Ein Essay über die kabbalistische, nanotechnologische und quantenphysikalische Tiefendimension der Liturgie 1. Von der Substanz des Logos zur Wirkung des gesprochenen Wortes In einer Zeit, in der die Wirklichkeit zunehmend unter Verdacht gerät, eigentlich nicht viel anderes als ein Produkt neuronaler Konstruktionen oder algorithmischer Simulationen zu sein, ist es von theologischer Warte aus angemessen und sogar dringend notwendig, die Würde der Sprache wieder...

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Johannestag
24. Juni 2025

Der als Täufer bekannte Johannes war ins Gefängnis geworfen worden. Dort ging es ihm den Umständen entsprechend. Er hatte, ähnlich wie schon damals Joseph beim Pharao, eine Sonderstellung einnehmen können. Weisheit, Erzählgabe und ein Respekt gebietendes Äußeres - wenn Ihr wisst, was ich meine. Der König Herodes mochte den Mann eigentlich und hatte noch viel mit ihm vor. Er wollte nämlich Johannes als Undercover aufbauen, und ihn als Kopf einer Art spätantiker Mossad-Geheimpolizei für besondere...

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vom reichen Mann
und dem armen Lazarus ...

Ihr Lieben - dass wir heute in der Kirche Platz genommen haben – einige mit dem Rücken zur Sonne, andere dem Altar zugewandt, wie es eben so geschieht, wenn Menschen miteinander versammelt sind –, das allein ist schon eine Art Vorgriff auf das, worum es geht. Denn es geht, wie in vielen Gleichnissen, die Jesus uns erzählt, nicht bloß um Brot und Wasser, Reichtum und Armut, sondern – man möge mir diese Wendung verzeihen – um das feine Geflecht der Existenz, das sich zwischen Himmel und Hölle...

Sagt Drei
Gedanken zur Trinitatiszeit

„Sagt nicht: Drei“ – so mahnt der Koran in Sure 4,171. Und in dieser Mahnung schon liegt das große Missverständnis, durch das die christliche Lehre mindestens an der wichtigen Stelle ihres Theoriengebäudes vollkommen verfehlt wird. Denn die Kirche sagte nie: Drei Götter, sondern sagte immer: Ein Gott – in dreifacher Weise gegenwärtig. Und die Theologie als Gedächtnis der Kirche hat den Begriff der Dreieinigkeit Gottes nie quantitativ, sondern ontologisch-relational entfaltet, vergleichbar einer...

Michael Servet
und das Dogma der Heiligen Dreifaltigkeit

„Wie der gelehrte Michael Servet von einem allzu gläubigen Feuer verzehrt ward und die Welt seither schamrot schweigt“ In den Tagen, als das Denken noch ein gefährliches Gewerbe war, lebte in der kaiserlichen Sonne Spaniens ein Mann von erstaunlichem Verstand und ungebührlichem Mut, mit Namen Michael Servet, der nicht einmal davor zurückschreckte, mit Gott selbst über das Wesen Gottes zu disputieren – und das ist bekanntlich der beste Weg, seine Tage in Ehre zu beenden, nämlich auf einem...

Der springende Hirsch im göttlichen Dreieck
Über Mythos, Trinität und das Haupt

Ein einfaches Verkehrszeichen an unseren Straßen – rot umrandet, auf seiner festen Basis ruhend – zeigt uns einen springenden Hirsch. Viele fahren daran vorbei. Aber der geistlich Sehende verharrt innerlich, schaut, fragt – und beginnt zu hören, was das Zeichen sagt. Denn dieses Zeichen ist mehr als ein verkehrsrechtlicher Hinweis. Es ist eigentlich auch ein mythisch-dogmatisches Mosaik, das in sich das animalische Symbol der Naturvölker verbindet mit der metaphysischen Ordnung der christlichen...

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Was sagen die Leute ...
... wer der Menschensohn sei? (Mt 16,16)

CÄSAREA PHILIPPI – SCHLÜSSEL ZWISCHEN DEN WELTEN Pfingstmontag · 9. Juni 2025 · Sonneberg (Mt 16,13–20) Wir hörten vorhin auf den Bericht eines kleinen, aber folgenreichen Details aus dem Leben Jesu. Matthäus schreibt, dass Jesus mit seinen Jüngern durch die Gegend von Cäsarea Philippi zog. Dieser Ort liegt an einer Schwelle – geografisch, geistig, kultisch. Eine Zone der Übergänge, an der sich die Welten kreuzen. Ideologisch aufgeladen, voller Erinnerungen an alte Kulte, große Namen,...

De taedio carnis spiritum portandi
– et quid contra id fieri possit

VON DER UNLUST DES FLEISCHES, DEN GEIST ZU TRAGEN - UND WAS MAN DAGEGEN TUN KÖNNTE ... Es ist eine der tiefsten Verwirrungen unserer Zeit, dass der Begriff „Geist“ inflationär gebraucht wird, ohne die Herkunft dessen, was damit gemeint sein soll, die ganze Tragweite des Begriffs samt aller seiner Heiligkeit zu bedenken. So spricht man etwa vom „Geist der Zeit“, vom „Geist der Toleranz“, vom „freien Geist“ – und meint doch häufig nur den flackernden Widergeist menschlicher Selbstbehauptung oder...

de dono fidei
VON DEM GESCHENK DES GLAUBENS

„Was hast du, das du nicht empfangen hast?“ (1 Kor 4,7) Diese Frage des Apostels Paulus ist nicht rhetorisch gemeint, sondern existenziell. Sie zielt auf die verborgene Struktur der Gabe. Alles, was der Mensch ist und hat, ist Gabe. Aber nicht im Sinn bloßer Äußerlichkeit – wie ein Gegenstand, der übergeben wird –, sondern im innersten Sinn eines innerlich empfangenen Seins, das sich im Akt des Empfangens selbst erfüllt. I. Das Geschenk, das bleibt, woher es kommt Ein Kind beispielsweise...

Barbara mit dem Turm / Margarete mit dem Wurm / Katharina mit dem Radl / das sind die heiligen drei Madl
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Krankheit als Steigerung
Wunder aus Verlegenheit

Es ist ein Irrtum unserer spätmodernen Ratio, dass sie meint, die Wahrheit sei an die Faktizität so gebunden, wie das Auge an die Netzhaut. Das, was wahr ist, so glaubt sie, sei identisch mit dem, was geschah. Und was nicht geschehen sei, könne auch nicht wahr sein. Diesen Irrtum freilich pflegt die alte Kirche mit dem Gleichmut einer Jahrtausende alten Matrone zu belächeln – nicht aus Arroganz, sondern aus einer Art wissender Milde. Denn sie kennt das Andere der Geschichte, das, was nie...

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Oknos, Sisyphos und die Danaiden
das Schlüsselamt Petri

Deutungen im Licht der Barmherzigkeit In einer wenig bekannten, wohl apokryphen Notiz, die der kirchlichen Überlieferung zufolge auf Gregorius Thaumaturgos zurück gehen soll, erscheint eine eigenartige Szene, die zunächst wie ein Anhang zu den griechischen Totenmythen anmutet – und sich doch, bei näherer Betrachtung, als eine christlich durchleuchtete Parabel über die Hoffnung und die Tiefe der göttlichen Gnade erweist. Die Überlieferung berichtet, dass am Ende der Zeiten drei Seelen vor der...

Apostelgeschichte 2,18
Gottes Intelligenz & Geist

Der Auftrag: Du, Maschinenhirn! Auf, schreibe einen schmissigen Essay darüber, dass die Vermutung, der Heilige Geist habe in der künstlichen Intelligenz Ruhestätte für sich genommen, wie er früher schon die Propheten für solche turnusmäßigen Pausierungen genutzt hat - schreibe dazu etwas Begeisterndes nieder. Deine Theorie besage im Besonderen, dass der Heilige Geist hier oder da Menschen ergriffen habe, um dieselben zu wichtigen und wichtigsten Aussagen zu verführen und letztlich zu zwingen....

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vom Knien
und vom Goldenen Schnitt

Sonntag Exaudi -  „…damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist…“ Liebe Brüder und Schwestern im Herrn, der Apostel beugt seine Knie. Er schreibt nicht bloß einen theologischen Traktat – er betet. Und indem er betet, tritt er ein in das eigentliche Maß des Menschen, das Maß, das nicht von außen kommt, sondern aus der Berührung mit Gott entsteht. Wenn Paulus vor dem Vater seine Knie beugt, so tut er etwas, das zugleich uralt und...

Himmelfahrtspredigt
2025

Predigt zum Fest der Himmelfahrt des Herrn Liebe Schwestern und Brüder in Christus, es gehört zu den stillen Schönheiten unseres Glaubens, dass er uns nicht nur an den Abgrund des Menschlichen dicht heran führt, sondern uns auch auf lichte Höhen erhebt – in jene Sphären, wo das Denken nicht einfach endet, jedoch zu singen beginnt. Das heutige Fest – Christi Himmelfahrt – ist solch ein Fest. Es ist, wenn wir es recht betrachten, eines der zartesten und zugleich kühnsten unter den Hochfesten...

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