Was sagen die Leute ...
... wer der Menschensohn sei? (Mt 16,16)

2Bilder

CÄSAREA PHILIPPI – SCHLÜSSEL ZWISCHEN DEN WELTEN
Pfingstmontag · 9. Juni 2025 · Sonneberg
(Mt 16,13–20)

Wir hörten vorhin auf den Bericht eines kleinen, aber folgenreichen Details aus dem Leben Jesu. Matthäus schreibt, dass Jesus mit seinen Jüngern durch die Gegend von Cäsarea Philippi zog. Dieser Ort liegt an einer Schwelle – geografisch, geistig, kultisch. Eine Zone der Übergänge, an der sich die Welten kreuzen. Ideologisch aufgeladen, voller Erinnerungen an alte Kulte, große Namen, vergessene Götter.

Früher hieß der Ort Paneas, benannt nach dem griechischen Hirtengott Pan, einem Wesen aus der Zwischenwelt von Tier und Mensch, Trieb und Ton, Fruchtbarkeit und Freiheit. Pan war kein Dämon, sondern in der Vorstellungswelt der Antike der Gott der Durchdringung – er stand für Naturmystik, Rausch, Ekstase, aber auch für tiefes Wissen um das Heilige im Nichtgemachten.
Dort, in einer Grotte am Fuß des Hermongebirges, wo das Wasser des Jordans an die Oberfläche tritt, befand sich ein Kultplatz. Nicht nur für Pan, sondern auch für andere Götter: Zeus, Baal, Astarte. Alles, was dem Menschen durch Leib, Lust, Natur und Rhythmus heilig erschien, war hier konzentriert. Nicht als „Aberglaube“, sondern als Ahnung – eine Ahnung, dass die Welt durchwirkt ist, dass es keine bloß materielle Wirklichkeit gibt.

Und genau hier, in dieser Grotte zwischen Quelle und Stein, stellt Jesus seinen Jüngern eine Frage, die bis heute nicht veraltet ist:

„Was sagen die Leute, wer der Menschensohn sei?“

Die Antworten der Jünger klingen wie ein biblischer Pressespiegel. Man vergleicht ihn mit Johannes dem Täufer, mit Elia, mit Jeremia. Achtungsvolle Vergleiche – aber keine Antwort aus eigener Erfahrung. Jesus drängt weiter.

„Ihr aber – was sagt ihr, wer ich bin?“

Das ist der Umschlagpunkt. Jetzt spricht kein Theologe, kein Überlieferer. Jetzt antwortet ein Mensch – Simon, später Petrus genannt.

„Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“

Und hier, genau an dieser Stelle, wird das Heilige persönlich. Jesus erkennt: Diese Antwort ist nicht aus Menschenlogik hervorgegangen. Sie ist nicht gelernt oder gehört, sondern gegeben. Eine Einsicht, die wie ein Lichtblitz über Simon kam – nicht aus dem Denken, sondern aus Berührung.

Jesus antwortet mit einem Satz, der in der Weltgeschichte nachhallt:

„Selig bist du, Simon Bar Jona … Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen. Die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben: Was du auf Erden bindest, wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden löst, wird auch im Himmel gelöst sein.“

Dieser Satz, gesprochen zwischen Jordanquelle und Göttergrotte, ist kein Verwaltungsakt. Er ist sakramentale Verdichtung. Petrus erhält nicht Macht im modernen Sinne, sondern eine Verbindungskraft – zwischen Erde und Himmel, zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem, zwischen Pan und Christus, Natur und Offenbarung.

Binden und Lösen – das meint: Schuld nicht ignorieren, aber verwandeln. Beziehungen nicht dominieren, aber durchlichten. Verantwortung nicht delegieren, sondern vollziehen – mit einem Schlüssel, der nicht sperrt, sondern aufschließt.
Und dieser Schlüssel ist kein Symbol. Er ist ein Handeln mit dem Unsichtbaren. Wenn ein Mensch wie Petrus spricht, urteilt, tröstet oder verzeiht, dann klingen die Kuppeln des Himmels mit.

Nicht umsonst hat man im Zentrum des Christentums – in Rom – über dem Grab dieses Petrus eine Kuppel gebaut. Eine Kuppel über einem Bekenntnis, das stärker ist als Tod und Geschichte. Und genau dort, in goldenen Lettern, rund um den Innenkreis des Doms, steht zu lesen:

„Tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam – Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“

Ich stelle mir vor, wie Jesus damals in der wilden Landschaft des Hermongebirges mit seinen Jüngern steht – auf einem Fels, über einer Quelle, unter einem Baum. Und wie Petrus, der einfache Fischer, in seinen Worten die erste Linie dieser Kuppel zieht. Nicht aus Marmor, sondern aus Ergriffenheit. Nicht mit Zement, sondern mit Zusage.

Und ich stelle mir vor, wie Pan – der Bruder aus den alten Tagen, der Gott der Ziegen und Schatten, der Herr der Quellen – nicht vertrieben wird, sondern zuhörte. Vielleicht zog er sich ein wenig zurück. Vielleicht verbeugte er sich sogar.
Denn in Christus wurde seine Naturmystik verwandelt:
Das Wasser blieb Wasser – aber es wurde Taufwasser.
Der Wind blieb Wind – und er wurde Geist.
Der Rausch blieb Rausch – und wurde Pfingsten.
Die Panflöte blieb mit ihrer Musik – und Christus spielte darauf.

Die Kirche, die seither wächst, lebt nicht vom Ausschluss der Vergangenheit, sondern von ihrer Verklärung. Nicht gegen Pan, sondern über Pan hinaus. Nicht ohne Grotte, sondern mit Kuppel.
Das Christentum ist keine Entzauberung, sondern eine Heiligung der Welt – durch ein Wort, das tief hinabsteigt und bis in die Quelle reicht.

Wenn wir heute nach dem Heiligen Geist fragen – was wäre, wenn er nicht vom Himmel fällt, sondern aus der Tiefe aufsteigt? Was wäre, wenn auch wir – wie Petrus – eine Antwort finden müssten, die nicht gelernt, sondern geschenkt ist?

Dann wäre Gemeinde nicht bloß Verwaltungsstruktur, sondern Pfingstgemeinschaft: Getauft wie Pan, verwandelt durch Christus, gehalten von einer Kuppel, die Himmel und Erde zugleich ist.

Autor:

Matthias Schollmeyer

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

26 folgen diesem Profil

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Video einbetten

Es können nur einzelne Videos der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Playlists, Streams oder Übersichtsseiten.

Abbrechen

Karte einbetten

Abbrechen

Social-Media Link einfügen

Es können nur einzelne Beiträge der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Übersichtsseiten.

Abbrechen

Code einbetten

Funktionalität des eingebetteten Codes ohne Gewähr. Bitte Einbettungen für Video, Social, Link und Maps mit dem vom System vorgesehenen Einbettungsfuntkionen vornehmen.
Abbrechen

Beitrag oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Schnappschuss einbetten

Abbrechen

Veranstaltung oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.