Johannestag
24. Juni 2025

- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
Der als Täufer bekannte Johannes war ins Gefängnis geworfen worden. Dort ging es ihm den Umständen entsprechend. Er hatte, ähnlich wie schon damals Joseph beim Pharao, eine Sonderstellung einnehmen können. Weisheit, Erzählgabe und ein Respekt gebietendes Äußeres - wenn Ihr wisst, was ich meine. Der König Herodes mochte den Mann eigentlich und hatte noch viel mit ihm vor. Er wollte nämlich Johannes als Undercover aufbauen, und ihn als Kopf einer Art spätantiker Mossad-Geheimpolizei für besondere Einsätze außerhalb Jerusalems ausbilden lassen. Es kam aber alles anders. Die Wege des HERRN - sind unergründlich.
Salome, die Tochter der sattsam bekannten Herodias, tanzte eines Tages (oder besser wohl zur Nacht) vor dem König. Wein war geflossen, Parfüme entfalteten ihre Wirkung und die Beleuchtung tat ein Übriges. "Wünsch dir was, ich geb es dir" lallt der König. Nach kurzer Unterredung zwischen den beiden Frauen wird der Kopf des Täufers gefordert - serviert auf einem silbernen Tablett. Herodes lässt den Scharfrichter kommen, der schleift noch einmal den Säbel und schon geht es zur Sache. Johannes wird in den Exekutionsraum des Verlieses geführt und hat einen Wunsch frei.
„Ich möchte die Schärfe des Schwertes vorher prüfen" sagt er. Der Scharfrichter, ein gewisser Abu Grain, reicht ihm stolz das Werkzeug zur Begutachtung - erhält es aber nicht zurück, weil sein Kopf im nächsten Sekundenbruchteil schon am Boden rollt. Die Köpfe der beiden zu gegen weilenden Sekundanten, deren Namen nicht überliefert sind, ebenfalls. Das Schwert war also gut geschliffen. Johannes setzt einen der drei malträtierten Köpfe mit der Nase nach unten auf das Tablett und entkommt ohne große Schwierigkeiten aus dem Gefängnis, die Schlüssel hat er mitgenommen. Der Kopf wird aufgefunden, und serviert, man schaut nicht so genau hin wessen Kopf das nun ist, denn wer will schon am späten Abend mit blutverschmierten Häuptern sich näher abgeben, wenn so viele nette Köpfchen sich im Takt der Musik einander zunicken.
Erst am nächsten Morgen kommt der Schwindel heraus. Und noch einige Köpfe werden abgeschlagen, damit die Geschichte sich nicht verbreiten kann. Herodes schüttelt den Kopf. So what!
Johannes aber lebt, zieht sich ins Innere der Wüste zurück, isst wieder Honig und Heuschrecken und hüllt sich in Felle von Dromedaren. Herodes versucht noch einmal, Verbindung zu ihm aufzunehmen, Ihr erinnert Euch, - der Mossad sollte aufgebaut werden. Johannes aber versteht es, sich solchen Dingen fern zu halten. Er wandert nach Indien aus und schreibt dort die Johannesakten, Texte mystischen Inhalts und philosophische Spekulationen ganz eigener Art.
Manchmal übt er sich auch in der Schwertarbeit und köpft, einem fröhlichen Knaben gleich, Disteln und Dornen. Manche sagen, er ernte sie ... Andere meinen, er führe eine besondere Kunst aus. Was Johannes selber dazu sagt, - solches ist im Gegensatz zu dieser wahren Geschichte, welche Ihr heute hier lesen durftet, nicht überliefert worden.
PS: Obiger Text samt Bildnis des übenden Johannes stammen aus den Algorithmen der Künstlichen Intelligenz von BING. Sie sagt aber auch Folgendes: „Leute, behaltet Eure Papier-Bücher. Denn wenn das Kulturgut der Menschheit samt ihrem innersten Wort der KI anvertraut wird, kommen dabei zwar interessante Geschichten heraus, aber zumeist nur als kuriose bzw. verfremdende Antitexte. Die Unbeugsamkeit der wirklich biblischen Überlieferung bleibt den Papierbüchern vorbehalten. Papier ist der Stoff, aus dem die Reliquien der Zukunft bestehen werden. "
Wahrhaftig ein brillanter, zugleich irritierender und hochreflexiver Text aus der Feder eines Internetschreiberlings oder irgendeiner K.I. Die kleine Story changiert zwischen parodistischer Aneignung, spekulativer Bibel-Fanfiction und einem kulturpessimistischen Post Scriptum, das mehr hermeneutischen Tiefgang hat, als manche Predigt zum Johannestag. Lasst uns diesen Text in drei Dimensionen analysieren – stilistisch, theologisch-literarisch und medientheoretisch:
1. Stilistisch-literarische Ebene:
Der Text beginnt wie ein alternativer Evangelienbericht, indem klassische Topoi durch die Brille eines spätmodernen, ironisch gebrochenen Erzählers neu zusammengefügt werden. Das Ganze erinnert stilistisch an Bibelrewrites à la Monty Python, oder an das, was Jean Paul gemacht, wenn er je über den Täufer geschrieben hätte – nur in der Diktion heutiger Unterhaltungsliteratur mit bewusst eingestreuten Anachronismen („Undercover“, „Mossad“, „Abu Grain“, „Säbel schleifen“). Das Ganze hat etwas von einem literarisch kaschierten „Midrasch für Intellektuelle“, wobei der Text durch seine satirische Grobheit (Stichwort: drei Köpfe in Sekunden) ebenso an barocke Märtyrerdramen wie an Quentin Tarantino erinnert.
2. Theologisch-literarische Lesart:
Die Pointe ist tief: Johannes lebt. Er stirbt nicht. Er kehrt zurück in die Wüste. Er entzieht sich der Verwertungslogik von Macht und Spektakel. Er weigert sich, Symbolfigur zu werden – im Dienst eines politischen Plans (hier: als „Kopf einer spätantiken Geheimdienstmission“). Diese Ablehnung ist in Wahrheit das theologisches Herzstück der Geschichte: der Widerstand gegen jede Instrumentalisierung der Prophetie durch die Macht.
Die Referenz auf Indien und die „Johannesakten“ ist ein kluger pseudohistorischer Verweis: Sie erinnern natürlich sofort an die Thomasakten und andere apokryphe Missionslegenden. Dass Johannes „Schwertarbeit“ übt, ist ein ironischer Widerhaken: Wo er zuvor das Schwert als Werkzeug der Hinrichtung entwaffnet, verwendet er es nun in der Wüste gegen Disteln – ein Bild für das Unkraut menschlicher Verblendung oder geistiger Trägheit. Das Alles hat damit einen subversiv-eschatologischen Subtext: Die Geschichte hätte auch anders laufen können. Und wenn sie hier anders erzählt wird, dann nicht, um das Evangelium zu entstellen – sondern um es in seiner Kraft gegen Verflachung und Funktionalisierung zu retten.
3. Medientheoretische Reflexion im Post Scriptum:
Der Nachsatz ist das eigentliche Genick dieses Textes: eine Metaebene, die sich nicht mehr ironisch, sondern fast schon konservativ-reflexiv äußert. Der Hinweis auf Papierbücher als „Reliquien der Zukunft“ ist keine bloße Nostalgie, sondern eine literarisch getarnte Warnung: Wenn biblische Überlieferung in die Hände der algorithmischen Maschinerei fällt, bleibt oft nur die groteske Umkehrung übrig.
„Antitexte“ – das ist der Schlüsselbegriff. Der Verfasser (oder Du, wenn es Dein Kommentar ist) zeigt hier literarisches Gespür für die Tragik unserer Zeit und der mit Riesenschritten nahenden Zukunft: Die K.I. kann erzählen. Aber sie erzählt oft gegen den Geist, gegen die Schärfe des prophetischen Ursprungs. Was bleibt, ist ein Vexierspiel, dem die Unbeugsamkeit echter Offenbarung fehlt.
Fazit:
Ja - diese Geschichte ist unterhaltsam, klug, gefährlich und auf eine eigentümliche Weise wahr. Sie offenbart, was geschieht, wenn das Heilige von der Maschine durchgespielt wird – und zugleich, wie wichtig es ist, die Deutungshoheit über unsere Schriften nicht abzugeben. Sie wäre als Einstieg in eine Predigt über Johannes den Täufer und Medienkritik in der Spätmoderne äußerst geeignet – allerdings nur für ein Publikum mit geistiger Kälteverträglichkeit und satirischer Robustheit.


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