Friedenstreck nach Jerusalem
"Wir haben den Frieden nötig"

Probefahrt beim Thüringentag in Gotha | Foto: Donatha Castell
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4800 Kilometer, sieben Pferdekutschen, 30 Menschen: Am 8. Mai, 80 Jahre nach Kriegsende, macht sich ein Friedenstreck von Berlin auf den Weg nach Israel. Das Ziel der achtmonatigen Fahrt: ein Zeichen für Völkerverständigung setzen – mit einer Friedensglocke, gegossen aus Militärschrott. Mit dabei ist Donatha Castell aus Weimar. Beatrix Heinrichs hat mit ihr gesprochen.

Eine große Reise liegt vor Ihnen. Ist Ihr Koffer schon gepackt?
Donatha Castell: In meinem Kopf ist die Liste schon ziemlich abgehakt. Ich benutze allerdings keinen Koffer, sondern zwei Kisten, in denen ich Sommer- und Winterkleidung trenne. Mein Mann und ich haben das Glück, nach vier, fünf Wochen noch mal nach Hause zu kommen und nachlegen zu können, wenn ich etwas vergessen habe.

Was ist der Grund für Ihre Reiseunterbrechung?
Unser jüngster Sohn macht Abitur. Und in dieser Zeit alleine zu sein, ist einfach nicht schön. Es ist doch die allererste Verpflichtung von Eltern, in solchen Übergangszeiten da zu sein.

Donatha Castell  | Foto: Paul-Philipp Braun

Sie reisen mit 20 Pferden über den Landweg durch den Osten Europas über die Türkei bis nach Jerusalem. Da ist man nicht mal eben wieder zu Hause. Ist Ihnen die Entscheidung leicht gefallen, in Weimar die Familie für ein halbes Jahr zurückzulassen?
Eine gewisse Anspannung ist da, ja. Auch, weil es an die Substanz geht und darum, die eigenen Fähigkeiten zu prüfen: Bin ich dem körperlich und mental gewachsen? Aber es ist eine außergewöhnliche Möglichkeit – das ist auch unseren Kindern klar. Unsere beiden großen Kinder studieren seit dem vergangenen Jahr, der Jüngste wird jetzt im Mai 18. Für uns geht die ganz enge Familienzeit zu Ende. Der Friedenstreck wird damit für uns ein Sabbat, eine Bedenkzeit für etwas Neues, was kommen kann.

Dann machen Sie also zwei Reisen. Was steht auf der To-Do-Liste für die persönliche, innere Reise, auf die Sie sich begeben wollen?
Da kommen ein paar Sachen zusammen: Da ist zum einen die Familienkonstellation, die neu ist, weil die Kinder selbständig sind. Als Paar müssen mein Mann und ich uns neu sortieren. Mein Mann ist 70 geworden, ich werde jetzt Anfang des Trecks 60. Die Berufstätigkeit endet, wir treten in einen neuen Lebensabschnitt ein. Das andere ist, dass ich mich mit dieser Reise auf meine beruflichen Ursprünge zurückbegeben werde. Ich habe früh reiten gelernt, bin landwirtschaftlich ausgebildet und habe unter anderem Pferdezucht studiert, danach im Beruf gearbeitet. Pferde waren sozusagen meine erste Liebe. Und mit der Reise auf das zurückzukommen, was so viele Jahre nicht möglich war, spielt für mich eine große Rolle.

Auch das Ziel der Reise ist bedeutsam für mich als Christ: Jerusalem im Schritttempo zu erreichen, ist eine andere Annäherung an einen Ort, der für mich als geistlicher Weltmittelpunkt wichtig ist. Wer Gutes über Jerusalem spricht, wird gesegnet sein, sagt die Bibel. An vielen Stellen in der Schrift ist es Jerusalem, wo vieles angefangen hat und wo alles enden wird. Der Ort ist auch bedeutsam für mich, weil meine Familie jüdischen Ursprungs ist. Mein Großvater ist noch als Vierteljude unter die Rassengesetze gefallen. Ich habe ihn nicht mehr erlebt, aber seine Geschichte war ein Thema in unserer Familie. Und sie ist auch ein Stück von mir.

Bei einer früheren Reise nach Jerusalem, die wir als Familie unternommen haben, bin ich auch in Yad Vashem gewesen und habe dort im Zentralcomputer nachsehen dürfen. Mein Mädchenname taucht dort dutzendfach auf. Das rührt mich an und lässt mich nicht mehr los. Immer schon hat mich die Frage bewegt, wie ich mich damit intensiver beschäftigen könnte. Ich denke, es wird auf dieser Reise Gelegenheit dazu geben.

Was fasziniert Sie an der Idee, den Frieden symbolisch durch elf Länder zu tragen?
Wir haben den Frieden nötig – als Individuen, als Familien, als Nachbarn, auf der ganzen Welt. Ohne Frieden kann sich der Mensch nicht entfalten, sich nicht entwickeln. Frieden sowohl als Voraussetzung für Leben als auch als Auftrag zu verstehen, ihn zu gestalten, das finde ich wichtig. Und zwar ohne das Politische primär zu sehen, sondern einfach das Elementare – dieser Aspekt reizt mich an der Reise. Und natürlich: Im achtzigsten Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges von Deutschland etwas Friedliches ausgehen zu lassen, den Friedenswillen sichtbar zu machen und nicht nur darüber zu reden, darin liegt eine besondere Kraft.

Was kann denn jeder von uns tun, um den Frieden im Kleinen zu schaffen oder zu erhalten?
Wenn ich von mir ausgehe, kann ich sagen: Es beginnt in der Familie. Es ist wichtig anzusprechen, was einen bewegt und dem anderen zuzuhören, Kompromisse zu finden. Elementar ist auch, wenn man den anderen verletzt hat, um Verzeihung zu bitten. Dass man sich eingesteht: Ich bin nicht unfehlbar, aber weil mir vergeben wird, kann ich auch vergeben. Allein im Kleinen ist das schon eine Riesenaufgabe.

Die Friedensglocke soll in Jerusalem der „Hand in Hand“-Schule übergeben werden, in die jüdische, muslimische und christliche Kinder gehen. | Foto: Paul-Philipp Braun
  • Die Friedensglocke soll in Jerusalem der „Hand in Hand“-Schule übergeben werden, in die jüdische, muslimische und christliche Kinder gehen.
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Nicht nur Familien, auch Reisegruppen haben eine eigene Dynamik. Sie sind lange unterwegs und aufeinander angewiesen. Birgt das nicht auch für eine Friedensmission ein gewisses Konfliktpotenzial?
In unserer Gruppe treffen unterschiedliche Charaktere aufeinander. Da sind die Kutscher, gestandene Landwirte oder Handwerker, die wissen, was sie tun, und gewöhnt sind, selbstverantwortlich zu arbeiten. Da ist eine Ärztin, die Erfahrung mit Pferden hat, und eine Rollstuhlfahrerin, die uns in der Küche unterstützt. Es sind also ganz unterschiedliche Menschen, die sich arrangieren müssen für eine gemeinsame Aufgabe. Allein im Team eine wohlwollende Gemeinschaft zu bilden, ist eine Art von Friedensarbeit. Es braucht ein paar Tage, bis die Rollen verteilt sind.

Um im Bild zu bleiben: Das klingt nicht nach "Ferien auf dem Ponyhof". Warum tun Sie sich das an?
Ich bin in Dresden geboren und aufgewachsen. Natürlich war ich auch mal in Polen und der Tschechoslowakei. Auch eine Wandertour durch Rumänien habe ich gemacht – aber da fährt man mit dem Zug hin, ist zwei Wochen dort und fährt dann wieder zurück. Die Menschen kennenzulernen, das Land zu erleben, eine gewisse Freiheit zu haben und aus seinem strukturierten, gesicherten und gut ausgestatteten Alltag versetzt zu werden in ein Minimum, in ein existenzielles Miteinander – das finde ich spannend.

Was wünschen Sie sich für die Reise?
Wir wünschen uns, dass diese Reise wahrgenommen wird als Aufforderung, sich mit dem Thema Frieden zu beschäftigen – nicht nur mit dem politischen Frieden und dem Schweigen der Waffen, sondern dem Frieden als übergeordnetem Gedanken. Der Frieden ist die Voraussetzung und Ziel, eine lebenslange Herausforderung. Wir wollen mit dem Treck ein Zeichen setzen: Jeder kann etwas tun. Wir können mit Menschen ins Gespräch kommen, mit denen wir noch nie zu tun hatten – wir können sie an unseren Tisch bitten, das Brot mit ihnen brechen und erzählen, warum wir unterwegs sind.
friedenstreck.de

Tipp
Donatha Castell berichtet in einem Online-Tagebuch exklusiv von den Erlebnissen der Reise mit dem Friedenstreck. Ihre Beiträge sowie Hintergründe zu der Aktion lesen Sie:

meine-kirchenzeitung.de

Probefahrt beim Thüringentag in Gotha | Foto: Donatha Castell
Die Friedensglocke soll in Jerusalem der „Hand in Hand“-Schule übergeben werden, in die jüdische, muslimische und christliche Kinder gehen. | Foto: Paul-Philipp Braun
Donatha Castell  | Foto: Paul-Philipp Braun
Autor:

Beatrix Heinrichs

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