Onlinepfarrerin
Hoffnung wird häufig geklickt

Jennifer Scherf | Foto:  Christina Groß

Hasskommentare (engl. Hatespeech) sind in den sozialen Medien keine Seltenheit. Sie richten sich gegen Flüchtlinge, Politiker, Homosexuelle, Gläubige oder den Nachbarn. Im Gespräch mit Beatrix Heinrichs erklärt Jennifer Scherf, Onlinepfarrerin in der EKM, Strategien, wie man dem Hass mit einer hoffnungsvollen Gegenrede, unter dem Hashtag Hopespeech bekannt, begegnen kann.

Wo sind Ihnen zuletzt Hasskommentare begegnet?
Jennifer Scherf: Am Anfang des Jahres hatte unser Team von der Onlinekirche zu einem Gottesdienst im Internet eingeladen zum Thema Diversität und sexuelle Orientierung. Die Idee war, die Vielfalt von Gottes Schöpfung zu feiern. Dabei wollten wir auch auf den Umgang der Kirche mit der queerer Gemeinschaft schauen und diesen kritisch hinterfragen. Nach dem Gottesdienst bekam ich Mails – auch von Christen oder Menschen mit Glaubensbezug. Dort hieß es, was wir da machen, das sei Gotteslästerung. Auch lesen musste ich, dass wir für so etwas in die Hölle kämen.

Wie erklären Sie sich, dass auch Christen Hasskommentare verbreiten?
Das passiert, wenn Menschen sich bedroht fühlen: in ihrem Leben oder in ihrem Glauben. Sobald in ein "Wir" und ein "die anderen" unterschieden wird und keine Schnittmenge mehr zwischen beiden zu existieren scheint, kann dieses vermeintliche Bedrohungsgefühl in Angst umschlagen oder in Hass ein Ventil finden. Bei Christen lässt sich beobachten, dass es, je enger das Bibelverständnis gefasst ist, desto häufiger zu Hasskommentaren kommt. Egal, ob Christ oder nicht – die Frage ist doch: Wie gehen wir mit Vielfalt um? Und: Können wir akzeptieren, dass das, was wir Wahrheit nennen, nicht nur im Singular zu finden ist? Das ist eine Überlegung, die die ganze Gesellschaft betrifft – und damit auch Christen.

Welche Strategien gibt es, wie mit Hass im Netz umgegangen werden kann?
Das auszutarieren ist ein heikles Zusammenspiel von Diskursbereitschaft und Selbstschutz. Wichtig ist, zunächst immer das Gespräch zu suchen. Wenn das nicht weiterführt, kann auch die reale Begegnung helfen, Verständnis für die Positionen des Gegenübers zu schaffen. Es gibt aber Situationen und Themen, wo das ab einem bestimmten Punkt nicht mehr möglich ist. Eine Strategie, auf die ich dann, aber auch nur im äußersten Notfall zurückgreife, ist, diese Nutzer und Kommentare einfach zu ignorieren..

Eine weitere Strategie ist die hoffnungsvolle Gegenrede, die sich im Internet unter dem Hashtag Hopespeech etabliert hat. Wann ist es sinnvoll, darauf zurückzugreifen?
Ich male Hoffnungsbilder gerne da, wo diese Botschaft auch gehört werden will. Mit dem hoffnungsvollen Gegen-Narrativ kann man nur da etwas erreichen, wo Menschen dadurch auch gestärkt werden wollen. Und das kommt auch auf den jeweiligen Kanal an. Auf Instagram zum Beispiel wird man wenig Hass finden. Hier treffen wir als Onlinekirche selbst mit kontroversen Themen auf große Zustimmung und offene Herzen.

Inwieweit hat der Krieg in der Ukraine die Stimmungslage in den sozialen Medien beeinflusst?
In den sozialen Medien beobachte ich gerade jetzt vor dem Hintergrund des Kriegs eine große Sehnsucht nach positiven Botschaften. Diesen Trend können wir über die Klickzahlen unserer Online-Beiträge sehr genau messen. Was wir beobachten ist, dass besonders Texte, die Hoffnung, Leichtigkeit und Freude vermitteln, sehr oft gelesen und geteilt werden. Neben den nachrichtlichen Informationen und Hintergrundberichten ist es das, was die Menschen eben auch brauchen.

Autor:

Beatrix Heinrichs

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