Wort zur Woche
Worauf ich niemals verzichten will

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Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.
Lukas 12, Vers 48b


Er hätte alles mit uns machen können! Der gesamte Chor hing an der Spitze seines Dirigentenstabes. Anfangs. Alle warteten auf Zeichen für ein kräftiges Forte oder ein sanftes Pianissimo. Aber es kam nicht. Lediglich der Takt war ihm abzunehmen. Das Orchester war professionell genug und spielte gut, aber der Chor blieb zurückgelassen in der Mittelmäßigkeit.

Es war schon verständlich. Der junge Kantor dirigierte zum ersten Mal das Weihnachtsoratorium. Aber wir wussten ja auch: Er kann es! Das war von vornherein klar. Am Ende war ich sogar etwas ärgerlich. Ich hatte das Gefühl, er enthält uns – bewusst oder unbewusst – etwas von seiner musikalischen Energie und Begabung vor.

Es ist, wie wenn man mit angezogener Handbremse fährt. Irgendetwas hindert mich, an mein volles Potenzial heranzukommen. Dieses Gefühl gehört zu vielen Biografien. Ratschläge von außen sind da völlig kontraproduktiv. So gesehen ist der Wochenspruch aus dem Lukasevangelium mit Vorsicht zu genießen. Wem steht ein Fordern zu?

Ich denke an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Kirche, die an zu hohen – meist eigenen – Ansprüchen scheitern. Ich denke an die Kinder, die den christlich-moralischen oder geistlichen Vorstellungen ihrer Eltern nicht genügen und daran zerbrechen. Ich denke an den Konkurrenzdruck, den es auch in der Kirche gibt. Das immerwährende sich Vergleichen: Bin ich, ist meine Kirchengemeinde, unser Chor, die Jugendgruppe besser, fitter, aktiver als die Anderen?

Es geht nicht um Leistung. Es geht um die angezogene Handbremse! Was hindert mich, an mein Potenzial zu kommen? Der Schöpfer hat es ja bereits in mich hineingelegt! Welche Mauern gibt es in meinem Inneren, und wie versucht Gottes Geist, mir beim Sprung darüber zu helfen? – Fremden Forderungen will ich trotzen, auf Gottes Beistand auf meinem Weg zu mir selbst aber niemals verzichten.

Christof Enders, Superintendent, Bad Liebenwerda 

Christof Enders, Superintendent, Bad Liebenwerda
Autor:

Online-Redaktion

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