Ausgezeichnet: Petra Hohn setzt sich für trauernde Eltern und Geschwister ein
Wenn das Leben stillsteht

Petra Hohn: "Wir sind für Eltern und Geschwister in ihrem großen Leid das Geländer, an dem sie sich festhalten können.“  | Foto: Elke Lier
  • Petra Hohn: "Wir sind für Eltern und Geschwister in ihrem großen Leid das Geländer, an dem sie sich festhalten können.“
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Der 27. November 1998 brachte für Petra Hohn und ihren Mann völlig unerwartet unsägliches Leid. Ihr Sohn hatte sich an diesem Tag das Leben genommen. Verzweifelte Fragen danach: Warum? Was haben wir verkehrt gemacht? Warum haben wir nichts gemerkt? „Durch Weiterbildung weiß ich heute manches besser“, sagt sie. „Dass ich ihm nicht helfen konnte, als er mich gebraucht hat, das schmerzt mich am meisten.“ Praktische Hilfe kam von Freunden und Nachbarn. Seelische vor allem von den Freunden ihres Jungen: „Wir, die verwaisten Eltern, waren wie ihre Adoptivkinder. Sie nahmen uns auf, bezogen uns in ihr Leben ein. Bis heute begleiten wir sie bei Hochzeiten, Geburten, Schulanfängen, den schönen Momenten des Lebens. Sie haben uns Lebensqualität zurückgegeben.“
Petra Hohn suchte nach dem Tod des Sohnes Hilfe in der Altenburger Selbsthilfegruppe verwaister Eltern. „Hier im Osten war alles erst im Entstehen. Ich begriff, dass ich etwas tun musste, was diesen Tod nicht so sinnlos macht.“ Anfangs hörte sie den anderen zu, dann wurde sie 1999 selbst aktiv, trat in den Verband ein. Ihr Wohnzimmer wurde zur Anlaufstelle trauernder Eltern. „In all den Jahren habe ich rund 1000 Menschen persönlich betreut. Das hat mir Kraft gegeben, mich aufgerichtet.“
Dass Trauerbegleitung Kompetenz erfordert, wurde ihr schnell klar. Die persönliche Betroffenheit sei zwar hilfreich, doch man müsse mit der „eigenen Geschichte im Reinen sein, ehe man sich um andere kümmert.“ Qualitätsstandards seien in dieser subtilen Arbeit unerlässlich. 2003 ließ sie sich zur Trauerbegleiterin ausbilden. Drei Jahre später gab sie ihren Beruf auf und arbeitete zunächst als ehrenamtliche Vorsitzende des Bundesverbandes Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland (VEID) und seit 2017 als dessen Geschäftsführerin.
Jährlich können rund 75000 Eltern und Geschwister durch Selbsthilfegruppen und Beratungen unterstützt werden. Mit nur einer Mitarbeiterin leitet Petra Hohn in ihrer Leipziger Geschäftsstelle den Verband. Sie ist Weiterbildnerin, Autorin des wiederholt aufgelegten Buches „Plötzlich ohne Kind“, Vorstandsmitglied im Bundesverband Kinderhospiz, Vortragsreisende und Beraterin in Schulen, wenn um Kinder oder Lehrer getrauert wird, Ratgeberin in Betrieben für Sozialdienste, die sie in ihrer Unsicherheit fragen: „Wie gehe ich mit einem schmerzgebeugten Mitarbeiter um?“ Gemeinsam mit anderen hat Petra Hohn ein internetbasiertes Präventionsprogramm für trauernde Geschwister entwickelt. In Deutschland sterben jedes Jahr 20000 Kinder und Jugendliche. Zurück bleiben nicht nur trauernde Eltern, sondern auch Schwestern und Brüder, die einen doppelten Verlust erleiden. Petra Hohn: „Sie verlieren das Geschwisterkind und ein intaktes Elternhaus.“ Vielfältig sind die Todesursachen, wenn ein Kind viel zu früh geht: Suizid, Mord und Gewalt, Unfälle, Krankheiten, verschwundene Kinder, aber es sind auch Früh- und Fehlgeburten. „Jede dritte Schwangerschaft verläuft unglücklich“, weiß Petra Hohn. Sie hat dafür gesorgt, dass auch diese Kinder einen Namen bekommen und ins Familienbuch eingetragen werden dürfen, dass die Trauer um sie Raum und Würde erhält.
Trauer braucht Zeit, erklärt sie, und Trauerbegleitung einen langen Atem und viel Kraft. Das müsse jeder wissen, der sich darauf einlässt. „Ich habe das Bundesverdienstkreuz für alle entgegengenommen, die diese Arbeit aus ganzer Kraft uneigennützig unterstützen. Wir können niemandem sein Kind zurückgeben, aber wir sind für Eltern und Geschwister in ihrem großen Leid das Geländer, an dem sie sich festhalten können auf dem Weg zurück ins Leben.“
Am 28.Mai 2019 bekam Petra Hohn aus Meuselwitz im Altenburger Land in der Erfurter Staatskanzlei das Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreicht. Vorausgegangen sind dieser Auszeichnung für die Geschäftsführerin des VEID 20 Jahre unermüdlicher harter Aufbauarbeit im Verband, der aktuell 8000 Mitglieder zählt.
In dem Auszeichnungsvorschlag heißt es: „Petra Hohn trägt dazu bei, die Situation von trauernden Familien zu verbessern und Trost zu spenden. Sie ist nicht nur eine große Hilfe für viele betroffene Eltern – sie will Vorbild sein und zeigen, dass man nach einem so schlimmen Schicksalsschlag wie dem Verlust eines Kindes zurück ins Leben kommen kann.“
Elke Lier

Autor:

Online-Redaktion

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