Predigttext zum Sonntag
Viele werden kommen

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Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen.
Matthäus 8, Vers 11


Sie waren auf einer meiner Beerdigungen gewesen. Hinterher hatten wir beim Kaffee ein gutes Gespräch gehabt. Nein, sie seien nicht gläubig. Sie könnten eigentlich damit nicht so viel anfangen, sagten sie. „Wir sind so nicht aufgewachsen.“ Aber dass es sie getröstet hätte, das sei schön gewesen. Und überhaupt: Man könne sich so gut unterhalten. „Irgendwie ist das gar nicht so, dass man bei Ihnen Angst haben müsste, dass man nicht wirklich dazugehört.“ Wir drückten uns die Hand.

Nun sind ein paar Wochen vergangen. Irgendwie haben sie aus dem Dorf meine Telefonnummer bekommen. Und sie rufen an: „Herr Pastor, unser Onkel ist gestorben, und wir wollen ihm doch einen würdigen Abschied geben. Dürfen wir Sie fragen – Sie haben doch etwas zu sagen. Das brauchen wir jetzt. Der war aber nicht kirchlich. Wir sind’s ja auch nicht. Es wäre uns wichtig.“ Und ich spüre, dass es ihnen nicht darum geht, dem Abschied nur einen irgendwie schönen Rahmen zu geben. Ich sage ihnen, dass ich trotzdem als Pfarrer sprechen werde, dass ich sagen werde, was ich glaube, und was mir wichtig ist im Angesicht des Todes.

„Vielleicht ist es ja genau das, was uns neulich so berührt hat. Wir bitten Sie wirklich. Wir verstehen, wenn Sie’s nicht machen, aber …“ Mein Herz klopft, als ich einfach zusage. Ich hab das ja noch nie gemacht. Erst hinterher mache ich mich kirchenrechtssicher, informiere die Gemeindekirchenräte, den Superintendenten. Ja, es geht, ich darf. Und ich will.

Es folgt ein langes intensives Gespräch. Es ist herausfordernder, als wenn ich mit immer schon Einverstandenen spreche. Es gibt Tränen und Fragen. Und es gibt eine Trauerfeier, wie ich sie selbst vorher kaum erlebt habe. Sie vertrauen mir und ich vertraue ihnen. Am Ende werde ich umarmt. „Danke. Einfach: Danke.“

Ein paarmal treffe ich sie wieder. Wir lächeln uns zu. Und manchmal höre ich im Weggehen, wie sie zu anderen flüstern: „Das ist der Pastor von der Trauerfeier. Kirche ist gar nichts Verkehrtes.“ Nein, ist sie nicht, die Kirche. Sie gehört zur Welt. Sie gehört zu den Menschen. Zu denen, die dicht dran sind. Und zu denen, die nach ihr fragen. 

Pfarrer Michael Schmudde, Worbis

Pfarrer Michael Schmudde | Foto: privat
Autor:

Online-Redaktion

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