Autofasten
Mobilität für Minderheiten

Radweg oder Holzweg: Für lebenswerte Städte braucht es auch verkehrs-politische Visionen, sagt Autorin Katja Diehl. | Foto: stock.adobe.com/edele-fotografie
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Die Expertin Katja Diehl fordert in ihrem Buch „Autokorrektur - Mobilität für eine lebenswerte Welt“ eine Zukunft ohne Auto. Im Gespräch mit Marie-Luise Braun erläutert sie, wie der Weg dahin aussehen könnte.

Sie fordern eine Mobilität, die sich an Minderheiten orientiert. Warum?
Katja Diehl: Ich habe mit sehr unterschiedlichen Leuten gesprochen. Manche hatten einen Führerschein, andere nicht. Manche leben auf dem Land, andere in der Stadt. Sie alle wünschen sich Sicherheit, Barrierefreiheit, Bezahlbarkeit, Verfügbarkeit und Wahlfreiheit. Sie wollen auch Auto fahren können, aber es eben nicht müssen, um am Leben teilhaben zu können. Das bedeutet, dass sie eigentlich gar keine Minderheit sind. Sie verstehen sich aber nicht als Gruppe. Das ist ein entscheidendes Manko, um die von ihnen gewünschte Veränderung zu erreichen. Denn eine große Gruppe erzeugt mehr Druck.

Was verhindert eine Mobilitätswende?
Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo hat das Radwegenetz 2020 um 45 Kilometer verlängert. Das Radaufkommen steigerte sich um 65 Prozent. Ich denke, wenn du eine Vision hast, dann zieht dieses Bild mit. Mir persönlich fehlt dieses Bild nicht, aber es fehlt in der Politik. Es fehlen Leute, die die Vorteile schildern und zeigen, wie lebenswert ihre Stadt auch aussehen könnte.

Woran liegt das?
Wir haben Angst vor Nachteilen und tun so, als sei der Status Quo sehr gut für alle. Wir kümmern uns sehr um die Menschen, die im Auto sitzen, fragen sie aber nicht, ob sie freiwillig drin sitzen. Es ist eine große Abhängigkeit geschaffen worden. Ich habe in Deutschland keine Stadt mit Bürgermeister gefunden, die das so verändern wollen, wie es in Paris geschieht.

Liegt der Grund für die mangelnde Mobilitätswende auch in uns selbst?
Ein Auto ist das teuerste Statussymbol, das du mitnehmen kannst. Dafür gibt es noch kein Substitut. Zeit zu haben, wäre ein guter Ersatz dafür. Aber wir sind in einem Teufelskreis. Viele nutzen das Auto, weil es für sie keinen adäquaten Ersatz gibt.

Was muss passieren, damit die Mobilitätswende in Deutschland einsetzt?
Für mich hat die Verkehrswende begonnen, wenn endlich wieder Vision Zero gilt. Vision Zero heißt: keine Verkehrstoten mehr. In Utrecht haben sie festgestellt, dass in Stadtteilen mit hoher Autobelastung die Leute zehn Jahre früher sterben. Sie haben dann Straßen rot gepinselt und festgelegt, dass Radfahrer dort nicht überholt werden dürfen. Radfahren kann man dort, wenn man weiß: „Ich bin sicher.“(epd)

Diehl, Katja: Autokorrektur. Mobilität für eine lebenswerte Welt, S. Fischer, 262 S., ISBN 978-3103971422; 18,00 Euro

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Online-Redaktion

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