Wort zur Woche
Ich habe es so satt!

Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat!
Psalm 33, Vers 12

Von Stefan Körner, Pfarrer in Gera

Ich habe es so satt. Ich habe es satt zu hören, dass Juden verachtet und verprügelt werden, weil sie ihre Kippa tragen. Ich habe es satt, dass in der Öffentlichkeit des Internets totgeglaubte antisemitische Verschwörungstheorien wieder aus ihren Löchern kriechen wie Maden aus verdorbenem Fleisch.
Ich habe es satt zu lesen, dass arabischstämmige Jugendliche einem anderen zusetzen, weil dieser einen Davidsstern trägt. Und ich habe es satt, wie die vermeintlichen Verteidiger eines christlichen Abendlandes mit dem Zeigefinger auf ebendiese zeigen, sie zu Sündenböcken machen und vom Antisemitismus in den eigenen Reihen abzulenken versuchen. Ich habe es satt, dass sich die alte Losung »Kauft nicht beim Juden« unter dem Deckmantel einer Boykottbewegung wieder Bahn bricht. Und ich habe es satt, dass »Jude« noch immer ein Schimpfwort ist und dass es mich fast nicht wundert, wenn ich lese, dass gut die Hälfte aller Deutschen unter die Shoah einen »Schlussstrich« ziehen will oder hierzulande gut 20 Prozent antisemitischen Verschwörungstheo­rien anhängen.
Ich habe es satt, wie sich rechte Extremisten, denen im öffentlichen Diskurs ein kalter Wind ins Gesicht weht, als neue Juden stilisieren, die verfolgt und ausgegrenzt würden. Damit lügen sie nicht nur schamlos, sondern bespucken all die Opfer. Ich habe es satt zu lesen, dass die Anhänger einer Partei, die für sich selbst reklamiert, jüdisches Leben in Deutschland besonders schützen zu wollen, mit 55 Prozent überproportional oft der These zustimmen, Juden hätten zu viel Einfluss. Ich habe es satt, dass sich die Lüge als Wahrheit verkleidet. Immer und immer wieder.
Aber ich habe es nicht satt – und werde es hoffentlich nie satt haben – zu glauben, dass Gottes Wahrheit wahr ist und bleibt. Dass Gott ein besonderes Augenmerk auf sein Volk hat, das er sich erwählte. Ich habe es nicht satt zu glauben, dass Gottes Verheißung und Versprechen zuverlässig sind. So lange, bis all das ein Ende hat und endlich Frieden ist zwischen Völkern, Religionen, Ländern.

Autor:

Online-Redaktion

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