Predigttext
Augen auf und durch

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Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!
Matthäus 26, Vers 39

Schade eigentlich, dass ich Ihnen an dieser Stelle nicht das großartige Tafelgemälde Lucas Cranach des Jüngeren zeigen kann, welches jeden Gottesdienst in St. Johannis zu Dessau mitfeiert. Es erinnert (Reminiszere!) uns daran, mit welch furchtsamen Gedanken Jesus in den unweigerlichen Tod geht.

Äußerlich wirkt er ganz still, innerlich ist er sicher aufgewühlt. Er betet eindringlich zu Gott: "Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber." Und der Engel über ihm bringt den Kelch des Unheils, der uns zum Heil gereicht. Sprichwörtlich ist dieser Kelch geworden, und ich überlege, von welchen „Kelchen“ wir uns wünschen, sie mögen vorübergehen.

Der Krieg in der Ukraine lähmt und bereitet große Sorgen. Wie wird es weitergehen, was ist abzuwenden und mit welchen Folgen? Unheilvolle Kelche. Nach wie vor sind da die vielen Infektionen, die uns verunsichern. Menschen erkranken, manche schwer, andere sterben daran. Zahlen und Fakten dominieren dieses Geschehen und treiben sich keilartig in unser Miteinander. Extreme Wettersituationen lassen uns und Menschen in weiten Teilen der Welt erzittern, bedrohen Hab und Gut, Leib und Leben. So viele Kelche, nicht alle neu und doch so präsent.

Jesus in seiner Situation ist in Lebensbedrohung. Hilflos, wie viele von uns. Sein letztes Mittel ist das Gebet. Vertrauensvoll wendet er sich an seinen himmlischen Vater – egal, was kommen mag. Und ich lerne wieder neu: Beten hilft, und beten ist kein Wunschzettel. Welch ein Vertrauen, alles letztlich in Gottes Hand zu geben! Was ohne Hilfe erscheint, birgt Geborgenheit und die tröstliche Erkenntnis, die eigene Not abgeben zu können.

Wir sind erschöpft, wie die drei Jünger, welche Jesus begleiten. Sie schließen die Augen vor dem Unausweichlichen. Sie flüchten sich in den Schlaf, die Lethargie, in das Nichtwahrhabenwollen – und sie verlassen Jesus damit. Das geht mir wohl oft auch so, wenn ich ehrlich bin. „Augen zu und durch“ oder „Augen zu“ und hoffen: Es wird schon nicht so schlimm, es war alles nur ein böser Traum – doch nicht, wie ich will, sondern wie Gott will!

So setze ich mich leise neben Jesus und singe seine Worte: Bleibet hier und wachet mit mir; wachet und betet! 

Geertje Perlberg, Pastorin in Dessau

Geertje Perlberg | Foto: privat
Autor:

Online-Redaktion

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