Blickwechsel
Wo Sterbende als Gäste willkommen sind

Cicely Saunders (Foto von 1990): Ein Erlebnis mit einem sterbenden Patienten, den sie im Jahr 1948 kennenlernte, inspirierte sie so sehr, dass sie ihr Leben in den Dienst der Hospizarbeit stellte. | Foto: epd-bild
  • Cicely Saunders (Foto von 1990): Ein Erlebnis mit einem sterbenden Patienten, den sie im Jahr 1948 kennenlernte, inspirierte sie so sehr, dass sie ihr Leben in den Dienst der Hospizarbeit stellte.
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Dass Patienten mit unheilbaren Erkrankungen in ein Hospiz gehen können, um würdevoll zu sterben oder von einem Hospizdienst zu Hause betreut werden – das war nicht immer selbstverständlich.
Von Christiane Link

Die Idee geht zurück auf die Britin Cicely Saunders (1918–2005). Die Krankenschwester, Sozialarbeiterin und Ärztin wollte Menschen an ihrem Lebensende möglichst schmerzfreie letzte Monate und ein angenehmes Umfeld bereiten. Vor 100 Jahren, am 22. Juni 1918, wurde die Mitbegründerin der modernen Hospizbewegung in London geboren.
Saunders beschrieb sich selbst in einem Interview mit der BBC 1994 als Eigenbrötlerin, die auf der Suche nach einem Sinn war – den sie in der Hospizarbeit fand. Entscheidend war die Bekanntschaft mit einem Polen, den sie im Krankenhaus kennenlernte und der im Sterben lag. »Ich war Sozialarbeiterin, als ich David kennenlernte«, erinnerte sich Saunders. »Er war erst 40 Jahre alt und hatte das Gefühl, nichts aus seinem Leben gemacht zu haben.« Die beiden diskutierten, was ihm helfen würde, mit seiner Situation auf einer sehr vollen Krankenhausstation am Lebensende besser zurechtzukommen.
Ihr ganzes Leben hatte Saunders fortan in den Dienst von sterbenden Menschen gestellt. Dabei setzte sie vor allem darauf, zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Ein elementarer Bestandteil war die Schmerztherapie. Während einige Ärzte in den 1960er-Jahren selbst bei todkranken Menschen noch vor Abhängigkeit durch Schmerzmedikamente warnten, stand für Saunders vor allem der Mensch im Vordergrund – und damit die Schmerzlinderung.
Erst während des Zweiten Weltkrieges entschied sie sich dazu, eine Ausbildung als Krankenschwester zu machen. »Der Moment, in dem ich anfing, als Krankenschwester zu arbeiten, vertrieb mein Unglücklichsein«, sagte sie der BBC. Zuvor sei sie jahrelang sehr niedergeschlagen gewesen. »Aber mein Leben als Außenseiterin hat mich gelehrt, ein Gefühl für Menschen zu haben und sie zu verstehen.« Als sie merkte, dass man sie nicht ernst nahm, wenn es um eine adäquate Schmerzlinderung für die Patienten ging, wurde sie Ärztin. »Der Arzt, mit dem ich als Krankenschwester zusammenarbeitete, sagte zu mir, ich solle Medizin studieren«, erinnerte sich Saunders im Rückblick. »Ich würde sonst nur frustriert, denn sie würden sonst nicht auf mich hören.«
Am 24. Juli 1967 eröffnete auf ihre Initiative hin das erste moderne Hospiz: St. Christopher’s im Süden von London. Bis heute werden in dem hellen und freundlichen Haus Sterbende gepflegt. Es gibt einen großen Saal, in dem sich Bewohner mit Besuchern und Menschen aus der Nachbarschaft treffen, und ein Kunstatelier, in dem die Patienten kreativ sein können. Der schön angelegte Garten lädt zum Verweilen ein. Jedes Jahr versorgen die Mitarbeiter Tausende Menschen am Ende ihres Lebens – nicht nur stationär, sondern vor allem in ihren eigenen vier Wänden. Das entspricht auch den Vorstellungen von Hospiz, die Saunders hatte: »Hospiz besteht nicht allein aus Ziegeln und Mörtel, sondern bedeutet vor allem Haltung und Kenntnisse.«
Saunders stützte sich bei ihren Studien zur Schmerzbehandlung auf die »einfache Methode des Zuhörens und Aufzeichnens auf Band«, wie sie schrieb. Täglich versorgte sie Sterbende auf einer Station mit 45 Betten.
2005 starb Saunders im Alter von 87 Jahren – in dem von ihr gegründeten Haus St. Christopher’s. (epd)

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