Blickwechsel
Wie eine koreanische Sekte das Coronavirus verbreitete

Shincheonji- Kirche in Daegu, ca. 250 km von der Hauptstadt Seoul entfernt | Foto: Namoroka - commons.wikimedia.org
  • Shincheonji- Kirche in Daegu, ca. 250 km von der Hauptstadt Seoul entfernt
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  • hochgeladen von Mirjam Petermann

In Südkorea sind Anfang der Woche gegen Anführer einer christlichen Sekte Ermittlungen wegen Mordes und anderer Vorwürfe eingeleitet worden. Mitte Februar verzeichneten die Behörden des Landes einen sprunghaften Anstieg an Infektionen mit dem Coronavirus. Auslöserin für die Verbreitung war ein 61-jähriges Mitglied einer extremen christlichen Neureligion. Deren Anführern wird nun unter anderem vorgeworfen, nicht ausreichend mit den Gesundheitsbehörden zusammengearbeitet und die Namen von Anhängern vorenthalten zu haben, die auf das Virus getestet werden sollten. Die Sekte weist die Vorwürfe zurück.

Sie ist unter dem Namen Shinchonji bekannt, was übersetzt etwa „Neuer Himmel und neue Erde“ heißt. Offensichtlich hatte die Patientin trotz eindeutiger Symptome weiterhin die Versammlungen der Shinchonji besucht. Das würde ins Bild passen, denn die Sekte verlangt strikten Gehorsam und erwartet von ihren Mitgliedern, dass sie auch bei Krankheit Shinchonji-Gebetssitzungen besuchen. Offensichtlich hat die erkrankte Frau so zahlreiche Menschen angesteckt.

Auf den ersten Blick erstaunt, dass nahezu gleichzeitig auch in anderen christlichen Kirchen vermehrte Infektionen auftraten. Oliver Koch vom Frankfurter Zentrum Ökumene, der beste deutschsprachige Kenner von Shinchonji, erklärt das mit der Untergrundmissionierung in anderen christlichen Kirchen. Er berichtet, dass Shinchonji andere Versammlungen unterwandert, um für die eigenen Glaubensvorstellungen zu werben.
Gründer ist der 1931 geborene Koreaner Man-Hee Lee. Er reklamiert für sich, eine entscheidende Stellung in der Heilsgeschichte zu haben. So sagt er von sich, er sei der „verheißene Pastor der Endzeit“ und er allein wisse, wie die Bibel „richtig“ zu verstehen sei. Man-Hee Lee gilt in der Szene zudem als körperlich unsterblich.
Aufgeschreckt von den Ereignissen hat Man Hee-Lee inzwischen eine recht eigenwillige Deutung gefunden: Er hat verlautbart, dass es sich bei dem Virus „um ein Werk des Teufels“ handle, „um die Ausbreitung Shinchonjis zu verhindern“. In einem Shinchonji-Bekenntnis heißt es: „Ich fürchte mich nicht davor, wenn ich erkranke. Ich sehne mich nur danach, den Willen Gottes zu erkennen.“ Wobei hier – wie immer bei solchen extremen Gruppen – der Wille Gottes mit dem Befehlen des Anführers verwechselt wird.

Aussteiger und Familienangehörige berichten, dass die Gruppe äußerst aggressiv missioniert. In vielen Ländern gibt es daher heftige Konflikte. In Deutschland ist diese christliche Sekte unter wechselnden Namen anzutreffen, um eine Zuordnung zu erschweren, etwa „Vereint mit Jesus“ oder „International Peace Youth Group“. Erst kürzlich erhielten zahlreiche Einrichtungen der Jugendhilfe in Berlin Einladungen vom dem Verein „Heavenly Culture, World Peace, Restoration of Light“ (HWPL), auf Deutsch „Himmlische Kultur, Weltfrieden, Wiederherstellung des Lichts“. Auch das ist eine Tarnorganisation von Shinchonji.
Andreas Fincke, Hochschulpfarrer und Leiter der Evangelischen Stadtakademie in Erfurt

Autor:

Online-Redaktion

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