Rom
Weihnachtslichter und Obdachlose

Helfer des Roten Kreuzes fahren jeden Abend mit zwei Wagen voller Kartons mit Kleidung und Lebensmitteln in die Altstadt von Rom und versorgen die Obdachlosen für die es in den Notunterkünften nicht genügend Schlafplätze gibt . | Foto: epd-bild/ Stefano dal Pozzolo
  • Helfer des Roten Kreuzes fahren jeden Abend mit zwei Wagen voller Kartons mit Kleidung und Lebensmitteln in die Altstadt von Rom und versorgen die Obdachlosen für die es in den Notunterkünften nicht genügend Schlafplätze gibt .
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Die Corona-Epidemie treibt immer mehr Italiener in die Armut. Freiwillige Helfer lindern abends mit heißem Tee, Lebensmitteln und Kleidung die größte Not.

Von Bettina Gabbe

An der Prachtstraße zum römischen Petersdom hängen auf einer Metallabsperrung in der Morgensonne Pullover und Hosen zum Trocknen. Unter den Kolonnaden am Ende der Via della Conciliazione und in den Hauseingängen der Seitenstraßen gehen Passanten achtlos an notdürftig mit Plastikplanen vor Kälte und Wind geschützten Nachtlagern vorüber. Die Corona-Epidemie macht in Rom immer mehr Familien arm und obdachlos. Menschen, die im Freien übernachten, werden plötzlich sichtbar, denn sie sind die einzigen, die abends die festlich beleuchtete Altstadt bevölkern.

Hilfsorganisationen verzeichnen seit dem Beginn der Pandemie im März einen sprunghaften Anstieg an Hilferufen. In den ohnehin für die 8.000 Obdachlosen der Stadt nicht ausreichenden Schlafstellen wurde wegen der Abstandsregeln die Bettenzahl reduziert. Während die Nächte immer kälter werden, bringt das Rote Kreuz denjenigen warme Kleidung und Decken, für die in den Einrichtungen kein Platz ist.

Der Lockdown mit geschlossenen Hotels, Bars, Restaurants und Geschäften bedrohe das Überleben der zahlreichen Obdachlosen, berichtet Debora Diodati, Vorsitzende des Roten Kreuzes in Rom. Seit der Touristenstrom versiegt ist, sind viele Läden geschlossen. Für zahlreiche Restaurants lohnt sich das geringe Besucheraufkommen aus Römern nicht. Hilfsorganisationen bemühen sich, der wachsenden Nachfrage nach Lebensmitteln nachzukommen. Gleichzeitig fordert der Präsident der katholischen Gemeinschaft Sant Egidio, Marco Impagliazzo, Notunterkünfte in leer stehenden Kasernen und Hotels einzurichten.

Wenn abends die Läden schließen, fahren Helfer des Roten Kreuzes mit zwei Wagen voller Kartons mit Kleidung und Lebensmitteln in die römische Altstadt. Am oberen Ende einer Treppe, die zum Tiberufer führt, treffen sie einen Mann, der in einer schützenden Nische sein Zelt aufgebaut hat. Der Mann trägt keine Atem-Maske. Die Helfer in roten Overalls gießen heißen Tee in seine leere Plastikflasche und geben ihm zwei Pakete Weißbrot. «Meine Frau ist nach sieben Monaten hier auf der Straße gestorben», sagt er traurig. Als die Helfer ihre Anteilnahme äußern, reagiert er wütend, als fühle er sich verhöhnt.

Unten am Tiberufer hat sich eine Gruppe jüngerer Menschen ein Zeltlager auf dem kalten Boden eingerichtet, der nach heftigen Regenfällen bis vor wenigen Tagen überschwemmt war. Ihre Hunde schlagen an, als die Helfer sich nähern. Die Bewohner der Zelte, darunter eine junge Frau Mitte Zwanzig in einem dünnen Rock und Strumpfhosen, kommen nach oben, damit sich die Helfer nicht die Schuhe schmutzig machen müssen.

Unter den Obdachlosen in Rom sind seit Ausbruch der Pandemie immer mehr Frauen. An diesem Abend trifft das Team in der Nähe der Piazza Navona auf einer Museumstreppe auf eine in Decken gehüllte ältere Frau, die jede Hilfe freundlich ablehnt. Auch eine Frau, die ihren gesamten Besitz in zwei riesigen Taschen mitten auf der leeren Hauptstraße entlang trägt, will weder heißen Tee noch Nahrung oder Kleidung. Doch sie braucht offenbar jemanden, der sie beachtet. So steht das Rote-Kreuz-Team in gebührendem Abstand vor ihr und hört ihr zu, als sie ihre schwer verständliche Sicht auf die Welt erklärt.

«Wir sind es gewohnt, den Menschen die Hand zu geben», erklärt Debora Diodati. «Wir mussten uns neu erfinden, um körperliche Distanz zu wahren und dabei zu verstehen zu geben, dass die Menschen in der surrealen Leere der Stadt nicht allein sind», sagt die Vorsitzende des Roten Kreuzes in Rom.

Den größten Zuwachs verzeichnen Hilfsorganisationen an Familien, die noch eine Bleibe haben, aber im Zuge der Corona-Epidemie ihre Arbeit verloren haben. So sind die Italiener unter den Menschen, die bei der Caritas für Essensrationen Schlange stehen, plötzlich wieder in der Mehrheit. Ein Drittel der Hilfsbedürftigen sind auf einmal nicht mehr alte Bekannte sondern neue Gesichter.

Auch der Vatikan passte sein Angebot an Bedürftige den neuen Umständen an. Im Ambulatorium, dass auf Wunsch von Papst Franziskus in den Kolonnaden am Petersplatz eingerichtet wurde, werden kostenlos Grippe-Impfungen verabreicht und Corona-Tests durchgeführt. Ein Tropfen auf den heißen Stein in der Touristenmetropole Rom, die unter dem Einbruch der Reiseindustrie besonders leidet. Für diejenigen, die diese Angebote wahrnehmen können, machen sie dennoch einen großen Unterschied.

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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