Deutsch-Russisches Gesprächsforum
Warum der Dialog gescheitert ist

Joachim Liebig | Foto: Foto: epd-bild/Heike Lyding

Im Frühjahr 2023 soll nach Willen der Mitglieder des Petersburger Dialogs das Gesprächsforum zwischen Deutschen und Russen aufgelöst werden. Anhalts Kirchenpräsident Joachim Liebig gehört als Vertreter der EKD dem Petersburger Dialog an. Über die Hintergründe der Entscheidung und die Perspektiven für den deutsch-russischen Dialog hat Willi Wild mit ihm gesprochen.

Was gab den Ausschlag, den Dialog jetzt für beendet zu erklären? Der Angriffskrieg läuft ja bereits seit Februar, der Konflikt begann Ende Februar 2014.
Joachim Liebig: Die Mitglieder des Petersburger Dialogs (PD) sind meist seit vielen Jahrzehnten mit Russland verbunden. Selbst nach dem Beginn des Angriffskrieges im Februar gab es noch die Hoffnung, es könne eine kurzfristige Lösung auf dem Verhandlungsweg geben. Bald sind jedoch einige Mitglieder des Petersburger Dialogs durch die russische Regierung zu unerwünschten Institutionen und Personen erklärt worden. Die vermutliche Auflösung des PD im Frühjahr 2023 ist Ausdruck der abgrundtiefen Enttäuschung über die verhärteten Positionen der russischen Seite. Aktuell besteht keine Aussicht, diese Verhärtung zu lösen.

Wäre es nicht gerade in der momentanen Situation notwendig, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen?
Das ist in der Tat ein wichtiges Argument. Alle Mitglieder des Petersburger Dialogs gehen davon aus, dass es auch zukünftig eine Vielzahl bilateraler Kontakte geben wird. Allerdings ist zu fragen, mit wem dieser Kontakt aufrechterhalten werden soll. Darauf gibt es noch keine abschließenden Antworten.

Wie reagiert die russische Seite auf die geplante Auflösung des Forums?
Es ist Aufgabe des PD-Vorstands, dies der russischen Seite mitzuteilen. Gesicherte Informationen darüber habe ich nicht. Die russische Seite ist nach Kräften bemüht, allen Beziehungen den Anschein des „business as usual“ zu geben. Letztlich soll damit versucht werden, den Angriffskrieg in seiner Grausamkeit herunterzuspielen. Es ist zu erwarten, dass die russische Seite verärgert reagieren wird.

Gibt es schon eine Idee für eine Fortsetzung unter anderen Vorzeichen?
Nein, aber von allen Seiten wird die Notwendigkeit einer Fortsetzung der an sich guten Idee des Petersburger Dialogs formuliert. Dazu muss jedoch zunächst der Krieg beendet und Frieden geschaffen werden. Der Versuch, mit einer kriegführenden Nation einen bürgerschaftlichen Dialog auf unterschiedlichen Ebenen zu führen, wird an der grundsätzlich unterschiedlichen Haltung zu zentralen Themen scheitern. Zugleich bleiben wir jedoch geographisch und historisch mit Russland aufs Engste verbunden. Zudem können wir davon ausgehen: Es gibt auch in Russland viele Menschen, die diesen Angriffskrieg ablehnen. Damit wird es umso wichtiger werden, in der Zukunft neue Gesprächsfäden zu spinnen.

Autor:

Online-Redaktion

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