Blickwechsel
Ukraine: Lutheraner definieren sich neu

Oleksandr Gross, Präsident der Synode der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU)   | Foto: Benjamin Lassiwe
  • Oleksandr Gross, Präsident der Synode der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU)
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Vor der in Ulm tagenden Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) sprach der Präsident der Synode der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU) über die Situation der Lutheraner in seinem Heimatland. Viel Gutes hatte Pfarrer Olexandr Gross aus Odessa nicht zu berichten. Benjamin Lassiwe hat mit ihm gesprochen.

Wie geht es Ihrer Kirche, der DELKU, heute?
Olexandr Gross: Wir haben in den letzten Jahren unter dem Eindruck des Krieges in unserem Land viele Menschen durch Ausreise verloren. Viele unserer Gemeindeglieder haben deutsche Vorfahren und konnten einen deutschen Pass beantragen. Das war ein großer Schlag für uns. Es war schwer, wirklich. Wir haben uns dann entschieden, eine neue Kirche mit einer neuen Identität sein zu wollen.
Natürlich, wenn der Bischof den Familiennamen Schwartz trägt, und der Synodalpräsident den Namen Gross, dann merkt man unsere deutsche Herkunft. Aber wir haben jetzt eine ukrainische Liturgie, und unsere Kirche, die früher deutsch- und russischsprachig war, spricht heute Ukrainisch, auch wenn es noch manche deutschsprachigen Gottesdienste gibt.

Sind Sie noch Teil der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Russland, der Ukraine, Kasachstan, Kirgisien und Usbekistan (ELKRAS)?
Die ELKRAS existiert schon seit zehn Jahren nicht mehr. Damals war das die evangelisch-lutherische Kirche in Russland und anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Heute gibt es noch immer eine Union lutherischer Kirchen. Aber das hat kaum noch Bedeutung. Praktisch trifft sich unser Bischof einmal im Jahr mit anderen Bischöfen, in Präsenz oder in einer Zoom-Konferenz. Aber das ist es denn auch schon.

Wie hat sich durch den Krieg Ihre Kirche verändert?
Zum Einen – darüber sprachen wir schon – haben viele Menschen unser Land verlassen. Zum anderen haben wir die Gemeinden im Donbass und auf der Krim verloren. Im Donbass existieren sie nicht mehr, auf der Krim gibt es wohl noch drei Gemeinden, die sich aber einer russischen Kirche angeschlossen haben.

Was können Sie für die Menschen vor Ort in der Ukraine im Moment tun?
Bei uns leben Flüchtlinge in Gemeinderäumen. Wir unterstützen alte Leute mit Essen, Medizin und humanitärer Hilfe. Es gibt Pampers für Kinder und auch Nahrung, teilweise für Kinder aus großen Familien. Für Schulen und Kindergärten wollen wir mehr Unterstützung schaffen.

Wie hat sich die Situation für Sie verändert, seit der Krieg in Israel ausgebrochen ist?
Wir merken, dass sich die Aufmerksamkeit verschiebt, aber das war streng genommen schon vorher der Fall: Es gibt weniger Spenden, weniger humanitäre Hilfe für die Ukraine als noch im vergangenen Jahr. Aber ich denke, das wird sich ändern, wenn der Krieg in Israel vorbei ist. Denn wir sind Teil von Europa, und unser Krieg ist nicht nur unser Krieg. Russland führt einen Krieg gegen die Werte Europas.

Durch die russische Annexion der Krim hat die DELKU acht Gemeinden verloren und die Zahl der Geistlichen wurde schließlich verringert. Im Juni 2022 umfasste die DELKU 24 lutherische Gemeinden mit 1000 Mitgliedern und weitere 160 Mitglieder in vier reformierten Ortsgemeinden. (wikipedia)

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Online-Redaktion

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