Blickwechsel
»Ökumenisch sein ist nicht in Mode«

Von Phillipp Saure

Es ist kein Zufall, dass die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) die Brücke zum Symbol gewählt hat. Nicht nur verbinden mehrere Brücken die Ufer der serbischen Donaustadt Novi Sad, wo seit diesem Donnerstag Vertreter von rund 85 Kirchen aus ganz Europa für eine Woche zusammengekommen sind. Das Motiv ist Programm der Vollversammlung der Europäischen Kirchen, eines der größten ökumenischen Treffen auf dem Kontinent. Denn bisher sind die Verbindungen zwischen den Kirchen alles andere als selbsttragend.
»Ökumenisch zu sein ist nicht in Mode«, sagt der Generalsekretär der KEK, Heikki Huttunen. Kirchen in Europa kümmerten sich heute verstärkt um ihre eigenen Belange, betrieben »Nabelschau« und schärften ihr Profil gegenüber anderen, erklärt er.
Die Delegationsleiterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Novi Sad, Petra Bosse-Huber, hält es ebenfalls »für nicht mehr selbstverständlich«, auch andere kirchliche Standpunkte als nur die eigenen wahrzunehmen.
Über die traditionellen Streitthemen hinaus, wozu vor allem das Verständnis der Institution Kirche zählt, scheiden sich die Geister etwa an den Themen Homosexualität und Migration. Die Gräben tun sich hier weniger zwischen den Konfessionen als vielmehr zwischen den geografischen Regionen auf, die in der Konferenz Europäischer Kirchen vertreten sind. Die KEK vereint alle großen christlichen Konfessionsfamilien mit Ausnahme der Katholiken, in ihr sind Protestanten, Anglikaner, Orthodoxe und Altkatholiken vertreten. Die Kirchen agieren auch flächenmäßig zwischen Island und Armenien, zwischen Portugal und der Türkei.
Schon im Vorfeld des Treffens wurden die unterschiedlichen Auffassungen deutlich. Bei einer seit Juni 2016 laufenden Konsultation der KEK zur Zukunft Europas verwiesen Norwegens Protestanten bei Fragen der Migration auf den universellen Gültigkeitsanspruch der Menschenrechte, während Tschechiens Schlesische Evangelische Kirche etwa vor »grenzenloser Mildtätigkeit« gegenüber Migranten und sexuellen Minderheiten warnte. Allerdings sind die Positionen nicht überall verhärtet, meistens waren die Wortmeldungen in der Konsultation differenziert. Die ungarischen Kirchen etwa legitimierten zwar einerseits den Grenzzaun gegen illegale Migranten, wiesen aber zugleich auf die Fremdenfeindlichkeit im Land hin. Kommunikation sei das Schwierigste und zugleich Wichtigste, meint EKD-Auslandsbischöfin Bosse-Huber: »Mich verständlich machen, den anderen verstehen und nicht gleich meine Klischees als Verständnishilfe über alles zu legen«.
Gelegenheit zur Kommunikation ist in Novi Sad eine Woche lang gegeben. Zum Thema Europa tauscht sich Bosse-Huber auf einem Podium mit dem Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltkirche, Justin Welby, sowie mit Metropolit Emmanuel von Frankreich als Vertreter der orthodoxen Kirche aus. Diskussionen sind auch zu Gastfreundschaft, Gerechtigkeit und Zeugnisgeben geplant.
Die Vollversammlung steht unter dem biblischen Leitspruch »Ihr werdet meine Zeugen sein«. Die Wahl des Mottos habe mit der Veränderung von Europas religiöser Landschaft zu tun, erklärte Huttunen. Vormalige die Mehrheit stellende Kirchen würden zu Minderheiten in ihrem Land, Migranten mit anderer christlicher Konfession oder anderem Glauben wie dem Islam kämen nach Europa. »In dieser Situation ist die Frage des christlichen Zeugnisses wesentlich.« Das Zeugnis betreffe nicht nur das Miteinander der Religionen, sondern auch deren Rolle in der Gesellschaft und gegenüber dem Staat. (epd)

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Online-Redaktion

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