Mit Bildern das Grauen überwinden
Der Künstler Jehuda Bacon war als Kind in Auschwitz

- Jehuda Bacon
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Er hat im Konzentrationslager Zeichnungen mit Kohle angefertigt, um das Erlebte zu verarbeiten und zu dokumentieren. Der 13-jährige Jehuda Bacon wurde von Peter Kien, einem weiteren Häftling, in die Kunst des Zeichnens eingeführt, bevor dieser in Auschwitz starb.
Von Elke Werner
In den 1990er-Jahren hatte ich als Teil einer kleinen deutschen Gruppe die Gelegenheit, Jehuda Bacon in Latrun, einem Zentrum der Jesus-Bruderschaft Gnadenthal, das auf halbem Weg zwischen Tel Aviv und Jerusalem liegt, zu treffen und seine Lebensgeschichte zu hören. Mit Klarheit und ohne Bitterkeit sprach er auf Deutsch über die Gräuel, die er mit Hunderttausenden Anderen erlebte. Und doch nur mit sehr wenigen überlebte.
Geboren wurde Jehuda Bacon am 28. Juli 1928 in Moravská Ostrava in der Tschechoslowakei. Mit 13 Jahren wurde er in das jüdische Ghetto Theresienstadt deportiert. Sein Leidensweg führte ihn weiter von dort in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, in das sogenannte „Familienlager“, in dem er mit anderen Jugendlichen schwere Transportarbeiten von Holz oder Asche aus den Verbrennungskammern übernehmen musste.
Er musste dort mit ansehen, wie sein eigener Vater in eine der Gaskammern geschickt wurde und sah schon wenig später den Rauch aus dem Kamin aufsteigen. Genau dieses Erlebnis hat er in einem Bild festgehalten, das zu seinen berühmtesten Werken zählt. Seine Mutter und seine Schwester wurden im Konzentrationslager Gunskirchen ermordet.
Sein eigener Leidensweg führte noch über sogenannte Todesmärsche in die Konzentrationslager Mauthausen und dann nach Gunskirchen. Am 5. Mai 1945 wurde das Lager Gunskirchen befreit, und Jehuda erst einmal in ein Krankenhaus eingeliefert. Die fliehenden deutschen Aufseher hatten alle Lebensmittel vergiftet. Viele Gefangene waren daraufhin erkrankt oder verstorben. Nach einer Zeit der Rekonvaleszenz in einem Kloster fuhr Jehuda nach Prag und wanderte 1946 mithilfe der Jugend-Alijah nach Israel aus. Dort lebt er bis heute. Seine Karriere als Künstler hat ihn weit über Israel hinaus berühmt gemacht.
Jehuda Bacon war einer der ersten Holocaust-Überlebenden, die schon bald nach der Schoa deutschen Boden betraten und von ihrem Erleben berichteten. Als er mit unserer kleinen deutschen Gruppe in Latrun zusammensaß, erzählte er, dass er noch Jahre nach seiner Gefangenschaft in größeren Menschengruppen, wie zum Beispiel bei einem Theaterbesuch, automatisch anfing zu überlegen, wie viele Goldzähne jetzt wohl im Raum seien und wie viele Kilogramm Haare sich hier abscheren ließen – Bilder und Maßeinheiten, die er aus seiner traumatischen Jugend im Vernichtungslager verinnerlicht hatte und die ungefragt wieder in ihm aufstiegen, wenn er mit vielen Menschen zusammen war.
Bei unserer Begegnung sprach er auf Deutsch, ruhig und ohne Hass. „Wieso können Sie uns Deutschen in Deutsch so frei von Hass und Anklage all das Schlimme erzählen?“ fragte ich. Jehuda antwortete ohne Zögern: „Wenn ich die Deutschen hassen würde, hätte Hitler immer noch Macht über mich. Und das will ich nicht!“ Ein Satz, der nicht nur mir einen wichtigen Impuls mit auf den Weg gab.
Schon während seiner Zeit in Auschwitz hielt Jehuda Bacon viele seiner schrecklichen Erlebnisse in Skizzen und Zeichnungen fest. Seine Kenntnis der Abläufe im Vernichtungslager wurden später in den Gerichtsprozessen gegen die NS-Verbrecher zu wichtigen Aussagen. Bis heute sieht Jehuda Bacon es als seine Aufgabe an, jungen Menschen auch in Deutschland von seinen Erlebnissen zu berichten. Dabei geht es ihm nicht um Schuldzuweisung, sondern um einen verantwortungsvollen Umgang mit Vergangenheit und Zukunft. Seine Bilder und sein Lebenszeugnis hinterlassen Segensspuren und werden auch in Zukunft wertvolle Impulsgeber sein. Jehuda Bacon wurde Ende Juli 96 Jahre alt und lebt in Jerusalem.




Autor:Online-Redaktion |
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