Antisemitische Vorfälle in Thüringen
Verunstaltete Stolpersteine und judenfeindliche Sprüche

Foto: epd-bild/Christian Ditsch

Verunstaltete Stolpersteine, judenfeindliche Sprüche an Wänden, Bedrohungen: Antisemitismus hat in Thüringen einen neuen Höchststand erreicht. Besonders beunruhigend seien laut des Jahresberichts der Meldestelle RIAS neue Entwicklungen.

Erfurt (epd/kna). Antisemitische Vorfälle in Thüringen haben mit 392 Vorfällen im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Im Vergleich zum Vorjahr (297 Meldungen) stelle dies einen Anstieg um rund ein Drittel dar, wie aus dem in Erfurt vorgestellten Jahresbericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hervorgeht. "Das ist die höchste Gesamtvorfallszahl aller ostdeutschen Bundesländer ohne Berlin", sagte die thüringische Rias-Projektleiterin Susanne Zielinski. "Antisemitismus ist in Thüringen omnipräsent."

Lage durch Hamas-Überfall verschlechtert

Auf den Antisemitismus in Thüringen habe der Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 "massive Auswirkungen": 41 Prozent aller Fälle stünden mit dem Überfall und dem daraus resultierenden Krieg direkt in Verbindung. Zudem nehme Antisemitismus einen größeren Platz im öffentlichen Raum ein. So habe jeder achte Fall an einer Hochschule und etwa die Hälfte aller Fälle an Orten wie Straßen, öffentlichen Gebäuden oder Bus und Bahn stattgefunden. Dadurch drohe eine Entstehung von "Angsträumen" im Alltag für Jüdinnen und Juden.

Von den 392 Vorfällen wurden 291 der Kategorie „verletzendes Verhalten“ zugeordnet, worunter antisemitische Äußerungen in Wort, Schrift und Bild fallen. In sieben Fällen wurden Bedrohungen gemeldet. Im Jahr 2023 war es ein Fall. Zudem wurden zwei Gewaltdelikte erfasst, eines mehr als im Vorjahr. Projektleiterin Susanne Zielinski sagte bei der Präsentation, die Lage im Land habe sich „stetig und rapide verschlechtert.“

Erstmals seit Beginn der Dokumentation durch RIAS entfiel der Großteil der Vorfälle mit 197 Meldungen (2023: 103) auf den „israelbezogenen Antisemitismus“, bei dem etwa das Existenzrecht des Staates Israel abgesprochen wird. In allen weiteren Erscheinungsformen seien die Schwankungen gering gewesen. Bislang seien die meisten Vorfälle im Post-Schoah-Antisemitismus zu beobachten gewesen, der 40 Prozent und damit 158 Meldungen ausmacht (2023: 142). Laut Zielinski sei dieser ein „kontinuierliches Grundrauschen“, während der israelbezogene Antisemitismus je nach politischer Lage schwanke.

Vorfällen an Bildungseinrichtungen

Beunruhigend ist Zielinski zufolge der Anstieg von Vorfällen an Bildungseinrichtungen: Dort stiegen die Zahlen binnen eines Jahres von 17 auf 48 an und machten zwölf Prozent der Gesamtfallzahl aus. „Dass Antisemitismus gerade dort, wo Wissenschaft, Lehre und Vielfalt zu Hause sein sollten, derart offen zutage tritt, ist beschämend und gefährlich“, erklärte dazu die Thüringer Linken-Politikerin Katharina König-Preuss.

Auch die Angriffe auf die Erinnerungskultur hätten an Quantität und Aggressivität zugenommen: In 69 Fällen (2023: 57) richteten sich Angriffe gegen Gedenkstätten oder deren Mitarbeitende. Die meisten Vorfälle (161) fanden jedoch auf der Straße statt, gefolgt vom Internet (70).

Im Bereich des Rechtsextremismus wurden demnach 56 dokumentierte Vorfälle verzeichnet (2023: 33). Seinen Anteil verdoppelt an der Gesamtzahl der Vorfälle mit einem politisch-weltanschaulichen Hintergrund habe der antiisraelische Aktivismus mit 16 Prozent (2023: acht Prozent). Der Thüringer CDU-Fraktionsvorsitzende Andreas Bühl betonte, „berechtigte Kritik an der israelischen Regierung darf niemals zu Hass gegen Juden und dem Staat Israel an sich führen“.

Jüdisches Leben sichtbar machen

"In Thüringen kann keine jüdische Veranstaltung mehr ohne Polizeischutz stattfinden", sagte der seit knapp zwei Wochen im Amt befindliche Landesbeauftragte für jüdisches Leben, Michael Panse. "Die Bekämpfung von Antisemitismus ist ein gesellschaftliches Problem. Es geht darum, jüdisches Leben wieder sichtbar zu machen. Wir wollen die Angst nehmen." Panse, forderte mehr Projekte gegen Antisemitismus sowohl an Schulen als auch in der Erwachsenenbildung. „Es geht darum, jüdisches Leben sichtbar und erlebbar zu machen“, sagte der CDU-Politiker.

Die Meldestelle wies zudem darauf hin, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte. Ein großer Teil der Vorfälle seien RIAS Thüringen direkt auf der Online-Meldeseite mitgeteilt worden. Zudem würden zivilgesellschaftliche und jüdische Organisationen regelmäßig befragt oder meldeten sich selbst.

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Online-Redaktion

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