Streitgespräch: Friedensbeauftragte und Militärpfarrer über Kriegsführung und Friedensdekade
Schön sauber lösen

Der Krieg spielt in der Friedensdekade 2018 eine wichtige Rolle. Thorsten Keßler sprach über die Digitalisierung des Krieges und die Beteiligung der Bundeswehr an der Friedensdekade mit Eva Hadem, landeskirchliche Beauftragte für Friedensarbeit, und Andreas Kölling, Militärpfarrer in Burg (Kirchenkreis Elbe-Fläming).

»Krieg 3.0« lautet das Motto Friedensdekade. Ungewöhnlich, oder?

Hadem: Ein umstrittenes Motto. Die Kolleginnen und Kollegen im Magdeburger Arbeitskreis fanden es sehr unglücklich: Da steht Krieg im Mittelpunkt und unser Auftrag ist doch, Frieden stark zu machen. Darum haben die Magdeburger entschieden: Das Motto auf unserem Flyer ist nicht nur Krieg 3.0, sondern auch Frieden 3.0.
Kölling: Ich begrüße das Motto und finde es sehr gut, weil es einen Aspekt in den Mittelpunkt rückt, nämlich Krieg, über den wir gar nicht sprechen wollen. Das Thema fragt nach dem, was Soldaten beschäftigt und was ihren Dienst ausmacht.

Ihre Meinungen gehen schon beim Motto sehr auseinander.
Hadem: Das liegt an unseren Perspektiven. Herr Kölling guckt auf die Soldaten. Ich gucke vorrangig auf die Friedensaktiven und die zivile Friedensstimme. Unser großes Anliegen ist es, die Stimme der Kirche für den Frieden und die gewaltfreie Konfliktlösung stark zu machen. So formuliert auch die Friedensdenkschrift der EKD den vorrangigen Auftrag: Wer aus dem Frieden Gottes lebt, tritt für den Frieden in der Welt ein.
Kölling: Ich glaube, es steht der Kirche gut an, dass wir nach Dingen fragen, die das Leben gefährden – dazu gehört Krieg. Wir sollten danach fragen, was das mit uns macht und was das für Soldaten bedeutet und wir müssen uns einmischen.

Im Zentrum der Friedensdekade steht die Digitalisierung des Krieges. Welche Gefahren birgt die Digitalisierung?
Hadem: Die Gefahr eines sauberen Krieges. Wenn ich an Drohnen denke: Man steuert sie aus der Ferne und sieht die Gegner nicht. Das macht es einer alternden Gesellschaft, wie der unseren, einfach. Man muss keine jungen Leute mehr in den Krieg schicken. Wir können das schön sauber lösen, vergessen aber, welche Gefahr das für die Menschen in Ländern bedeutet, die von diesem Drohnen bedroht sind.
Auch ist möglicherweise nicht genug im Blick – da weiß Herr Kölling sicherlich mehr – dass Soldaten dennoch posttraumatische Störungen bekommen können, weil es auch belasten kann, jemanden aus der Ferne zu töten.Kölling: Ein Soldat sagte mir: »Die Digitalisierung erschreckt mich! Maschinen und Programme sind nur so gut wie die, die sie programmieren.« Mir ist für die Bundeswehr kein Fall von Traumatisierung durch Drohnenbedienung bekannt. Das muss aber nicht heißen, dass es das nicht gibt. Ein weiteres Problem ist die Frage von Schuld. Kirche hat fast ein Alleinstellungsmerkmal, die Schuldgefühle von Menschen ernst zu nehmen. Das begegnet uns auch in der Militärseelsorge.

Warum ist Bundeswehr bei der Friedensdekade dabei?
Kölling:
Die Idee entstand nach dem »Magdeburger Manifest« vom Kirchentag auf dem Weg 2017, das von Kirche fordert, den Dialog mit Soldaten einzuschränken. Das hat zu sehr starker Verunsicherung geführt. Soldaten fragten: »Warum ist kein offener Dialog zwischen Kirche und uns möglich?« Für mich ist die Friedensdekade eine Möglichkeit, diesen Dialog wieder aufzugreifen.

Die Teilnahme wurde in Magdeburg sehr diskutiert?
Hadem:
Der Magdeburger Arbeitskreis hat das Angebot der Militärseelsorge und der Bundeswehr intensiv diskutiert. Wir hatten aber das Gefühl, es ist gerade bei dem Thema Krieg 3.0 gut, man führt diesen Dialog. Aber uns waren ein neutraler Ort und andere Beteiligte wichtig, so dass es wirklich ein Dialog wird.
Kölling: So wie ich das verstehe, ist die Friedensdekade beteiligungsoffen. Insofern hätte die Militärseelsorge das sicher auch alleine einbringen können. Es war auch uns wichtig, daraus ein gemeinsames Projekt zu machen.

Brauchen wir die Friedensdekade?
Hadem: Auf jeden Fall. Ich wünsche mir, dass wir als Kirche mutiger sind, auch unbequeme Fragen zu stellen. Nicht zu sagen: ja, ja, liebe Politik, wir folgen euch in ultima ratio, sondern lange die Frage zu stellen: Geht’s nicht auch anders? Das halte ich für unseren wichtigen Auftrag, und da leide ich an meiner EKD, dass ich sie hier oft als zurückhaltend erlebe.
Kölling: Soldaten, mit denen ich spreche, wünschen sich eine starke Friedensbewegung. Denn es gibt viele Fragen. Etwa, ob es nicht problematisch ist, bei Auslandseinsätzen autoritäre Regime als Partner zu haben, die gar nicht so demokratisch aufgestellt sind wie wir. Und Soldaten reflektieren ihren Dienst. Es ist wichtig, dass sie damit nicht alleine sind.

Die Fragen stellte Thorsten Keßler.

Autor:

Online-Redaktion

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