Flüchtlingspolitik
Häufig gestellte Fragen in der aktuellen Debatte

Foto: epd-bild/Detlef Heese

Berlin (KNA) Der Umgang mit Flüchtlingen und Migranten an den deutschen Außengrenzen liefert weiterhin jede Menge Diskussionsstoff. Hier liefern wir Antworten auf einige Fragen rund um die Debatte: 

Von Joachim Heinz und Karin Wollschläger

Was verbirgt sich hinter den Begriffen "Zurückweisung" und "Dublin-Verfahren"?

Bei Zurückweisungen werden Menschen an der Grenze daran gehindert, diese zu überqueren. Das ist möglich bei Personen, die keine Papiere bei sich führen beziehungsweise gefälschte Dokumente vorlegen oder gegen die eine Einreisesperre vorliegt. Eine "Zurückschiebung" findet statt, wenn Ausländer bereits unerlaubt die Grenze passiert haben.

Wer Asyl beantragen will, darf im Normalfall nicht zurückgewiesen werden, sobald er sich auf deutschem Staatsgebiet befindet. Bei der Registrierung prüfen die Behörden allerdings, ob die betreffende Person schon in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde. Dieses Verfahren ist durch die Dublin-III-Verordnung geregelt. Das Dublin-Verfahren soll verhindern, dass eine Person mehrfach einen Asylantrag stellt, und klären, welches Land für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Üblicherweise handelt es sich um das Vertragsland, das der Geflüchtete zuerst betreten hat.

Worum geht es in den Fällen, die jetzt das Berliner Verwaltungsgericht zu entscheiden hatte?

Vor dem Berliner Verwaltungsgericht hatten drei Flüchtlinge aus dem ostafrikanischen Somalia gegen ihre Zurückweisung bei einer Grenzkontrolle am Bahnhof Frankfurt (Oder) geklagt. Nach Darstellung des Bundesinnenministeriums erschienen sie am 2., 3. und 9. Mai an der deutsch-polnischen Grenze. Erst beim dritten Mal hätten sie ein Asylbegehren geäußert, das aufgrund der Vorgeschichte zurückgewiesen worden sei.

Das Berliner Verwaltungsgericht hatte in den Eilverfahren entschieden, dass Menschen nicht einfach zurückgewiesen werden dürfen, wenn sie nach dem Grenzübertritt auf deutschem Staatsgebiet um Asyl bitten. Die Bundesrepublik sei nach der Dublin-Verordnung der EU dazu verpflichtet, bei Asylgesuchen, die auf deutschem Staatsgebiet gestellt werden, in jedem Fall das vorgesehene Verfahren zur Bestimmung des für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaats vollständig durchzuführen.

Weiter hielten die Richter fest, dass sich die Bundesrepublik nicht darauf berufen könne, die Dublin-Verordnung angesichts einer Notlage nicht anwenden zu müssen. Insbesondere könne sie die Zurückweisungen nicht auf eine Ausnahmeregelung im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union stützen. Es fehle dafür die hinreichende Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.

Der Bundesinnenminister setzt auf eine Klärung im Hauptsacheverfahren. Was genau ist darunter zu verstehen?

Die Beschlüsse des Berliner Verwaltungsgerichts erfolgten im Rahmen eines sogenannten Eilverfahrens. Die Richter gewähren damit den Klägern einen vorläufigen Rechtsschutz. Unabhängig davon kann ein Hauptsacheverfahren zustande kommen. Im vorliegenden Fall hat einer der Kläger ein solches beim Verwaltungsgericht anhängig gemacht. Das Bundesinnenministerium hofft nun darauf, in diesem Hauptsacheverfahren Recht zu bekommen.

Fraglich ist indes, ob das Hauptsacheverfahren tatsächlich fortgeführt wird. Laut dem Berliner Verwaltungsgericht kann der Kläger das Hauptsacheverfahren für erledigt erklären - weil mit dem Eilbeschluss sein Ziel bereits erreicht wurde. Diese Variante hat eine hohe Wahrscheinlichkeit. Prozessrechtlich könnte das Bundesinnenministerium dann noch Widerspruch einlegen und das Gericht müsste prüfen, ob die Sache tatsächlich erledigt ist. Das Ganze könnte sich hinziehen, da keine Frist besteht, bis wann sich der Kläger in der Angelegenheit äußern muss.

Muss die Bundesregierung ihre Praxis der Zurückweisungen jetzt ändern?

Nein, sagt der Konstanzer Jurist Daniel Thym. "Die Bundespolizei und die Bundesregierung können ihre Praxis der Zurückweisungen gegenüber Polen und anderen Nachbarländern vorläufig fortsetzen", so der Professur für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht . Juristisch gelte die einstweilige Anordnung des Berliner Gerichts nur für die drei Antragsteller, betreffe also die drei Einzelfälle. "Erst wenn mehrere Gerichte, auch aus anderen Bundesländern, einstweilige Anordnungen gegen die Bundesregierung erlassen, dürfte der politische Druck wachsen." Um das zu verhindern, müsse die Bundesregierung nun dringend eine solide Begründung vorlegen. Nur dann könne sie "eine Kaskade von Eilentscheidungen gegen sie" verhindern.

Wie hat die Bundesregierung auf das Urteil reagiert?

Nach außen gibt sich die Bundesregierung geschlossen. Rückendeckung für seinen Kurs in der Flüchtlingspolitik bekam der Bundesinnenminister durch Bundesjustizministerin Stefanie Hubig. Das Verwaltungsgericht habe nicht entschieden, dass künftig alle Asylbewerber ins Land gelassen werden müssten, betonte die SPD-Politikerin im Podcast Table.Today. Diese Entscheidung sage nur, dass die drei Antragssteller das Dublin-III-Verfahren durchlaufen müssten. "Und das hat der Innenminister zugesagt."

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) deutete beim Deutschen Kommunalkongress in Berlin an, die Entscheidungen könnten die Spielräume an den Grenzen möglicherweise etwas einengen. "Aber die Spielräume sind nach wie vor da. Wir wissen, dass wir nach wie vor Zurückweisungen vornehmen können", so der Kanzler.

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Online-Redaktion

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