Predigttext
Die Knie beugen

Margareta Seifert, Pfarrerin in Wolfen-Nord | Foto: Landeskirche Anhalts
  • Margareta Seifert, Pfarrerin in Wolfen-Nord
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So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist.
Epheser 3, Vers 18

Alles fängt an mit dem Knien, bei uns und bei Paulus. Er ist im Gefängnis, er kann selbst nicht viel tun, ihm sind die Hände gebunden. Er kann nicht in die Verlegenheit kommen, sich selbst um die Gemeinde in Ephesus zu kümmern. Und so bleibt ihm die Fürbitte: Inständig betet er und er wirft alles, die größten Argumente, in die Waagschale, um die Epheser zu trösten und ihnen zu sagen: Gott ist bei und in euch.
So schön beschreibt der Paulus das. Wir sind eingewurzelt und gegründet in der Liebe Christi und in der Erkenntnis. Wie geht das? Ich denke, da ist der erste kleine Satz unseres Textes von größter Bedeutung: „Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater.“
Die Knie beugen – eine sehr umstrittene Geste. Früher gehörte das dazu und es gab die Kniekissen: bei der Konfirmation, beim Abendmahl, bei der Hochzeit. Doch heute ist Knien out. Auf die Knie fallen, das sieht nach Unterwerfung, Schwäche aus. Das Knien wurde so missbraucht. In der Nazizeit, da zählte nur blinder Gehorsam, Unterwürfigkeit. Und in der DDR-Zeit hieß es, sich dem System unterwerfen, innere Kniefälle zu machen.
Aber da gibt es das Knien als starke zukunftsweisende Geste: Der berühmte Kniefall von Willy Brandt 1970 am Mahnmal des Warschauer Ghettos. Dietrich Bonhoeffer kniete und betete in der Gefängniszelle vor seiner Hinrichtung. Er hat nicht vor Menschen gekniet, nicht vor Hitler, er hat nur allein vor Gott gekniet: Das hat ihm Stärke, Größe und Halt geschenkt.
Im Knien mache ich mich klein und lasse mein Gegenüber groß sein. Das kann und will ich nicht vor jedem. Dazu brauche ich Vertrauen, dass meine Demut nicht missbraucht wird. In den Zeilen des Paulus ist das Vertrauen zu Gott, der Gebeugte aufrichtet, überall spürbar. Hier lässt ein Mensch sich kniend selber los und alles, was ihn bedrängt. Knien drückt aus, dass wir bereit und offen sind, Gott handeln zu lassen, die Bitte des Vaterunsers „Dein Wille geschehe“ ernst zu nehmen, „Christus in uns wohnen zu lassen, uns in der Liebe wurzeln zu lassen“.
Und so möge uns das kniende Gebet verhelfen, dass wir begreifen in der Länge, der Breite und Tiefe, was wir als einzelne oder als Kirche in jeder Lebenslage erlebt haben, warum es so war und wie Gott uns geführt hat und wir in aller Gottesfülle sein werden.
Margareta Seifert 

Autor:

Online-Redaktion

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