Reinhardsbrunn
Die Kapelle, die keine Kirche sein soll

- Christfried Boelter
- Foto: Paul-Philipp Braun
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Nach der Enteignung 2018 wird Schloss Reinhardsbrunn (Kirchenkreis Gotha) saniert. Die Kapelle ist als erster Bauabschnitt fertig gestellt und schon gibt es Diskussionen um deren Nutzung.
Von Paul-Philipp Braun
Halbdurchsichtige Nebelschwaden liegen an diesem Septembernachmittag über dem Schloss Reinhardsbrunn. Hier im Friedrichrodaer Ortsteil scheint die Zeit in diesem Moment stillzustehen. Und doch ist das Schloss ein wahrer Fortschrittsort. Am 10. Juli 2018 wurde hier Geschichte geschrieben. Erstmalig enteignete eine deutsche Landesregierung einen Kulturstandort. Schon fünf Jahre zuvor hatte Christine Lieberknecht (CDU) das Thema Reinhardsbrunn zur Chefin-nensache erklärt, Bodo Ramelow (Linke) hatte diesen Plan weiterverfolgt und umgesetzt.

- Eindrucksvoll erneuert: Rund acht Millionen Euro sind bislang in die Sanierung des Schlossensembles geflossen, auch in die Kapelle.
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Ein, nicht ganz stiller, Beobachter all der Entwicklungen in und um Reinhardsbrunn ist Christfried Boelter. Seit 1988 war er Pfarrer in Friedrichroda, verliebte sich in die großzügige Schlossanlage mit ihrem Park und wechselte vom Amt des Stadtpfarrers in verschiedene Funktionen auf das Gelände am Schloss. "Wir machen hier seit den 1990er Jahren Bildungsarbeit", erzählt Boelter.
Dieses "hier" umfasst inzwischen 4000 Quadratmeter Grundstück auf dem Areal des ehemaligen Reinhardsbrunner Pionierlagers. "Unser Verein Kirche und Tourismus hat immer einen Blick auf das Schloss. Wir verfolgen, was dort passiert", sagt der Pfarrer. Als die Kapelle des historischen Ensembles am 13. September nach aufwändigen Sanierungsarbeiten wiedereröffnet wurde, freute es auch den Verein, der sich eben der Verbindung Kirche und Tourismus verschrieben hat. "Wir haben mit dem Collegiat St. Elisabeth und Johannes hier eine geistliche Bewegung, welche künftig die kirchliche Betreuung der Kapelle verantworten sollten", so Boelter.

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Der Landeskrichenrat der EKM habe dafür bereits sein Okay gegeben, erzählt der Pfarrer. Der Eigentümer bzw. dessen Treuhänder, die Stadt Friedrichroda, sieht dies allerdings anders. "Dort stellt man sich auf den Punkt, dass die Kapelle gar keine Kirche sei", empört sich Christfried Boelter. Grund dafür sei, dass die letzte sakrale Handlung in dem Gebäude Anfang der 1960er-Jahre stattgefunden habe. "Danach wurde die Kapelle nur noch als Lager für die Hotelküche genutzt. Mobiliar und Gegenstände wurden damals an umliegende Gemeinden verteilt." Hinweise auf eine Entweihung des 1874 gesegneten Kirchenraumes gäbe es allerdings nicht, sagt Boelter. Dies findet sich auch so in den Friedrichrodaer Kirchenbüchern, in denen Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen der ehemaligen Ernestiner-Hauskapelle im Schloss vermerkt sind.
Doch gänzlich sind Gottesdienste in der Kapelle derzeit nicht verboten, erzählt Christfried Boelter: "Wenn wir sie feiern wollen, müssen wir wie Konzerte oder andere Veranstaltungen den utopischen Betrag von 500 Euro für Kulturabgabe und Raummiete bezahlen. Wenn wir mehr als eine Stunde brauchen, werden es dann 750 Euro."

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Ausgeschlossen seien jedoch kirchliche Hochzeiten, so Boelter. Wenngleich die geschäftsführende Beamtin der Stadt, Monika Siede, laut Lokalzeitung den Raum für standesamtlichen Trauungen öffnen will, soll das religiöse Ja-Wort in der Kapelle, die keine Kirche sein soll, derzeit nicht gesagt werden.
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