Zum Gottesdienst in die Turnhalle
Die Buß- und Bettagsrebellen

Foto: epd-bild/Jens Schulze

Seit 25 Jahren widersetzen sich die Einwohner von Burk im Landkreis Ansbach der Abschaffung des Buß- und Bettages. Auch andere Orte gehören zu den Buß- und Bettagsrebellen. Doch deren «Front» bröckelt inzwischen. 

Von Diane Mayer

Auch an diesem Mittwoch bleiben in Burk in Mittelfranken Rathaus, Bäcker, das kleine Kaufhaus und der Friseur geschlossen. Seit 25 Jahren hält der Ort mit knapp 900 Einwohnern am Buß- und Bettag fest. Die Bundesregierung kassierte den Feiertag im Jahr 1994, um die Pflegeversicherung zu finanzieren. Ein Jahr später war der evangelische Feiertag beinahe quer durch Deutschland Geschichte. Nur Sachsen widersetzt sich bis heute komplett. In vielen Kirchen gibt es aber Gottesdienste - natürlich abends nach getaner Arbeit. Nur die Schüler in Bayern haben frei, für die Eltern ist das häufig ein Problem.

Dieses Jahr weichen die Burker um 10 Uhr am Mittwochmorgen wegen Corona aus Platzgründen in die Turnhalle zum Gottesdienst aus. Der Kirchenkaffee im Anschluss und der Besuch im Wirtshaus sind gestrichen. «Bei uns in der Gemeinde ist ein christliches Leben wichtig», sagt Roswitha Schiling, die sich die Pfarrstelle seit zehn Monaten mit ihrem Mann Sebastian teilt. «Ein christliches Leben bedeutet nicht nur die großen, freudigen Feiertage wie Weihnachten und Ostern zu feiern, sondern alle Feiertage. Dazu gehört auch ein etwas schwerer Feiertag wie der Buß- und Bettag», erläutert die evangelische Theologin.

Schiling sagt, sie spüre in Zeiten von Corona eine gewisse Sehnsucht der Menschen nach Bekanntem und Gewohntem. «Wir versuchen das in den Gottesdiensten so weit wie möglich zu erhalten, können es aber nicht komplett zugestehen», erzählt sie. «Auch wenn der Heilige Geist weht, weht er die Aerosole leider nicht weg.» Im Zentrum des Gottesdienstes stehe die Buße. Buße sei ein schweres Wort, sagt die Pfarrerin fest. Es gehe darum, auf sich selbst im vergangenen Jahr zu schauen, was nicht so glücklich gelaufen sei.

Bürgermeister Georg Held sitzt nur einen Steinwurf vom Pfarrhaus entfernt im Rathaus. Bislang pendelte er an den Buß- und Bettagen nach Nürnberg zur Arbeit. In diesem Jahr erlebt er den Feiertag in der Gemeinde im Landkreis Ansbach zum ersten Mal ganz bewusst. Der Buß- und Bettag sei «der typische evangelische Feiertag» gewesen, sagt der Rathauschef. Er bedauere die Abschaffung sehr: «Ich habe die meiste Zeit meines Lebens in katholisch geprägten Gegenden gelebt, in denen ganz selbstverständlich die katholischen Feiertage begangen wurden.»

Vor dem kleinen Kaufhaus im Ort, das Schuhe und Mode verkauft, steht Inhaber Rudolf Kochler. Er kümmert sich um die Weihnachtsdeko im Eingangsbereich seines Geschäfts. Er steht voll und ganz hinter der Idee, dass Burk an diesem evangelischen Feiertag festhält. «Ich finde es gut, dass wir die Möglichkeit haben, uns auf unseren Glauben und Geist zu besinnen», sagt Kochler. «Gerade in der Corona-Zeit ist das wichtig, um Kraft zu schöpfen.»

Einen festen Termin für den Buß- und Bettag gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Auch wenn er inzwischen offiziell wieder ein Werktag ist: In Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie im Saarland gilt an diesem Tag ein Tanzverbot. Außer in Burk bleibt auch noch in Weiltingen am Hesselberg im Kreis Ansbach das Rathaus geschlossen. Gollhofen im mittelfränkischen Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim war bis vergangenes Jahr auch noch eines der drei Buß- und Bettags-Rebellendörfer. Doch 2019 öffnete nach 24 Jahren erstmals das Rathaus wieder, und auch diesen Mittwoch wird das wieder so sein. «Das hat sich alles verwässert», stellt Bürgermeister Heinrich Klein fest.

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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