Grundsatzfragen
Das hohe C

Foto: epd-bild/ Jürgen Blume

75 Jahre nach ihrer Gründung muss sich die CDU zunehmend rechtfertigen.

Von Simon Lukas

Steht sie noch für „christliche“ Werte? Oder war das C immer schon Etikettenschwindel? Ist die CDU tatsächlich eine christliche Partei? Der Historiker Frank Bösch äußert im „Deutschlandfunk“ Zweifel: „Ich denke schon, dass es eine christliche Politik geben kann, aber man muss sagen, dass die CDU nicht die Partei ist, die vornehmlich eine christliche Politik in dem Sinne macht, als dass sie hier einen Alleinvertretungsanspruch oder Ähnliches hat.“
Bei der Gründung im Sommer 1945 sei die Rückbesinnung auf christliche Wertvorstellungen noch eine entscheidende Haltung und Bekundung gewesen, heute aber definiere sich die Partei hauptsächlich über ihre wirtschaftspolitische Kompetenz. Die Religion ist dabei oft nicht mehr als ein Element der Selbstdarstellung. So sei es „bezeichnend, dass zwar in der Programmatik oder in der alltäglichen Politik das C in der CDU keine große Rolle mehr spielt, aber von der Herkunft, dem Betonen der Selbstverortung ist es sehr, sehr wichtig“. Bösch vermutet, dass religiöse Fragen auch weiterhin einen Platz in der Politik haben werden. „Es ist interessant, für die Zukunft zu sehen, wie die neue Abgrenzung zum Islam dazu führt, dass sich jetzt auch vermehrt Gruppen … auf das ›christliche Abendland‹ berufen, die bisher eigentlich überhaupt nicht durch Kirchennähe aufgefallen sind.“ Es sei wichtig, sich klarzumachen, dass „das Christliche ein sehr, sehr dehnbarer Begriff ist, den unterschiedliche Gruppen für sich reklamieren“.
Der Politikjournalist Thomas Schmid teilt Böschs Einschätzung, dass die CDU noch immer großen Wert auf ihre christliche Selbstverortung lege, nicht. „Der neben der CSU einzigen Partei Deutschlands, die im Namen einen religiösen Bezug trägt, scheint diese C-Tradition wenig wert zu sein“, schreibt er in der „Welt“. „Fast klingt es so, als sei den CDU-Oberen in diesen säkularisierten, pluralisierten und auch religiös multikulturellen Zeiten das C ein wenig lästig, ja fast peinlich geworden.“ Dass diese „ganz und gar weltliche Partei das hohe C im Namen führt und sich damit einen transzendenten Bezug gibt“, sei schon länger eine Form von „Selbstbetrug“, aber auch eine Art Betrug am Wähler. Zu oft hätten Politiker „das christliche Erbe … auf scheinheilig-verschwurbelte Weise“ benutzt, um eigene Interessen durchzusetzen.
In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sieht man die Geschichte der CDU positiver. „Das C steht nicht für bibeltreue Politik“, betont der Redakteur Jasper von Altenbockum. Man könne also keine allzu strenge Orientierung an rein christlichen Werten erwarten. Stattdessen stehe der Buchstabe „für ein Menschenbild, auf das sich Protestanten wie Katholiken – und auch Nichtchristen – einigen können“.
Im Gegensatz zu Programmparteien, die eine klar umrissene Wählergruppe ansprechen wollen, verstand sich die CDU seit ihrer Gründung als „überparteiliche Partei“. Da in ihr „fast alle Richtungen vertreten sind, bleibt das Menschenbild als einzige Substanz“. Und dieses Menschenbild, das von der Würde des Einzelnen ausgeht, sei – wenn es konsequent vertreten wird – heute noch so wichtig wie vor 75 Jahren. 

Mit freundlicher Genehmigung der Wochenzeitschrift "Christ in der Gegenwart" (Nr.28)
 christ-in-der-gegenwart.de

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