Missbrauchsfälle in sächsischer Kirchengemeinde
Bischof räumt Fehler bei Aufarbeitung ein

Foto:  epd-bild/Jens Schulze

In der erzgebirgischen Kirchgemeinde Kühnhaide-Pobershau hat die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen begonnen. Die Taten liegen fast 30 Jahre zurück. Die Landeskirche reagierte nach Bekanntwerden 2019 zögerlich.

Vor dem Hintergrund der Missbrauchsfälle in den 1990er Jahren in der erzgebirgischen Kirchgemeinde Pobershau hat Sachsens evangelischer Landesbischof, Tobias Bilz, Fehler seiner Landeskirche eingeräumt. „Die Verantwortlichen der Landeskirche waren in der ersten Zeit nicht in der Lage, angemessen auf die Situation zu reagieren“, sagte Bilz am Freitag zum offiziellen Auftakt des Aufarbeitungsprozesses in Pobershau.

Schutzkonzepte und Strategien zur Intervention seien nicht klar genug, die notwendigen Schritte des Vorgehens noch nicht festgelegt gewesen. „Wir haben lange gebraucht, bis wir als Landeskirche richtig handlungsfähig waren“, sagte Bilz. In dieser Zeit hätten die betroffenen Frauen Erfahrungen gemacht, die sie retraumatisiert hätten „Das tut mir außerordentlich leid“, so der Bischof.

Hintergrund sind 2019 in der evangelischen Kirchgemeinde Kühnhaide-Pobershau bekanntgewordene Missbrauchsfälle. Ein ehrenamtlicher Kantor soll sich mehreren Mädchen im Alter zwischen 11und 15 Jahren sexuell genähert haben. Drei Frauen hatten Taten sexueller Gewalt aus den Jahren 1995 bis 1999 geschildert. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe wurde der Kantor suspendiert. Strafrechtlich sind die Übergriffe verjährt.
Bei der Aufarbeitung müsse das erlittene Unrecht im Vordergrund stehen, sagte Bilz. „Es geht in erster Linie darum, das, was passiert ist, ernst zu nehmen und den Schmerz zu würdigen, der sich damit verbindet. Danach kommt lange nichts“, betonte der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.

Zur Aufarbeitung gehöre aber auch, „das Ausmaß der Taten festzustellen und Verantwortlichkeiten beim Namen zu nennen, Strukturen zu verändern und Schutzkonzepte zu entwickeln“. Auch Anerkennungsleistungen seien ein wichtiger Teil des Prozesses. Die unabhängige Aufarbeitungskommission appelliert an die Kirchgemeinde, sich aktiv an dem Prozess zu beteiligen. Dabei seien Einstellungen und Verhaltensweisen zu überprüfen. „Eine Aufarbeitung hat keinen Sinn, wenn sie nicht in Haltung umgesetzt wird“, sagte der Sprecher der Kommission, Gregor Mennicken. Die Kommission wolle auch Strukturen aufdecken, die zu den Missbrauchsfällen beigetragen haben könnten.

Im rechtlichen Sinne würden Straftaten verjähren, sagte Bilz. „Im Blick auf das, was Schuld in den Menschen anrichtet und wie sie sich auf das Miteinander auswirkt, gibt es keine Verjährung.“ Deshalb sei es notwendig, sich auch nach Jahrzehnten dem zu stellen, was immer noch da sei. Bilz appellierte, sich diesem Prozess zu stellen, auch wenn er „mühe- und schmerzvoll“ sein werde.

Der Kirchenvorstand der evangelisch-lutherischen Gemeinde Kühnhaide-Pobershau will nach eigenen Aussagen die Betroffenen unterstützen. Es sei nötig, „den Bann der immerwährenden Verschwiegenheit zu brechen und durch Offenlegung eine Anerkennung und Verantwortungsübernahme möglich zu machen“, hieß es.

Die Aufarbeitungskommission besteht aus zwei Frauen und zwei Männern mit juristischen und fachspezifischen Kompetenzen. Sie ist für ein Jahr eingesetzt und hatte ihre Tätigkeit am 18. Januar 2022 aufgenommen.

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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