Familie
Weder Heimchen am Herd noch Arbeitsbiene

Schwangere dürfen vor und nach der Entbindung für einige Wochen nicht arbeiten - so regelt es das Mutterschutzgesetz. | Foto: imageBROKER
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In Deutschland seit 70 Jahren selbstverständlich: Das Mutterschutzgesetz legt fest, ob und wie lange eine werdende oder frischgebackene Mutter arbeiten darf - zum eigenen Schutz und für das Kindeswohl.

Von Nina Schmedding 

"Sie wissen, dass Hunderttausende von Frauen auf diese Stunde seit zwei Jahren warten." Mit diesen Worten
beschwörte die SPD-Parlamentarierin Liesel Kipp-Kaule die Abgeordneten im Deutschen Bundestag im Dezember 1951 ein letztes Mal. Schließlich wird das erste "Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter" in der Bundesrepublik Deutschland einstimmig angenommen. Vor 70 Jahren, am 24. Januar 1952, verabschiedete es der Bundestag - von den 410 Abgeordneten waren etwa 30 weiblich. 

Im Wesentlichen ist das damals erlassene Mutterschutzgesetz noch heute gültig: Mütter dürfen in den acht Wochen nach der Geburt und in den sechs Wochen vorher nicht beschäftigt werden - soweit sie sich nicht zur Arbeit ausdrücklich bereit erklären. Außerdem hat die Frau Anspruch auf Leistungen wie das Mutterschaftsgeld und ist gegen Kündigung geschützt. Die Zahl der arbeitenden Mütter steigt laut Statistischem Bundesamt seit Jahren: Waren 2009 rund 67 Prozent der Mütter mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren erwerbstätig, sind es zehn Jahre später bereits drei von vier Müttern - rund 75 Prozent.

Ein Dilemma bestehe dennoch, so die Hallenser Arbeitsrechtsexpertin Katja Nebe im MDR: Ein Mutterschutz, der "als einziges Instrument vorsieht 'Wenn da eine Gefahr ist, dann wird die Frau nicht beschäftigt', sei ein reaktiver, aussperrender, rein fürsorglich-fremdbestimmender Mutterschutz." Der Europäische Gerichtshof habe zudem immer wieder entschieden, dass Mutterschutzregeln, die die Frauen in ihrer Gesundheit schützen sollen, nicht zu einer Benachteiligung im Erwerbsleben führen dürfen. 

In den 50er Jahren war es vor allem die Adenauer-geführte christdemokratische Bundesregierung, die sich erst mit dem Gedanken anfreunden musste, dass Mütter auch arbeiten können - und dies mitunter nicht nur wollen, sondern auch aus finanziellen Gründen müssen. Das Mutterbild von Bundeskanzler Adenauer ist zunächst noch von der Idee des "Rückenfreihaltens geprägt: "Eine ausgeglichene und innerlich fröhliche Mutter verleiht auch den Männern und den Kindern, auch wenn es im Beruf oft Ärger und Schwierigkeiten gibt, die innere Sicherheit, mit den Dingen fertig zu werden", so wird Adenauer in einem Deutschlandfunkbeitrag zitiert.

Erste Anfänge in Sachen Mutterschutz wurden bereits 1878 gemacht: Denn im 19. Jahrhundert müssen selbst hochschwangere Frauen und Wöchnerinnen bis zu 16 Stunden täglich in lauten Fabrikhallen aushalten - die Zahl der Fehl- und Totgeburten steigen stetig an. Damals wurde erstmals ein Beschäftigungsverbot für Fabrikarbeiterinnen bis drei Wochen nach der Geburt festgelegt - allerdings unbezahlt. Auch ein Kündigungsschutz ist damals nicht vorgesehen. Viele junge Mütter gehen also nach dem dreiwöchigen Beschäftigungsverbot so schnell wie möglich wieder arbeiten - mit fatalen Folgen. 17 Millionen Kinder sterben von 1871 bis 1912 in Deutschland vor Ablauf des ersten Lebensjahres.

1942 erlassen die Nationalsozialisten weitreichendere Mutterschutzbestimmungen, wie Schutzfristen sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung. Kündigungen sind bis vier Monate nach der Geburt verboten. Die Regeln sollen für die Erfüllung der nationalsozialistischen Vorstellung von der kinderreichen Mutter sorgen. 

Noch einmal reformiert wurde das Gesetz im Jahr 2018: Seitdem gilt etwa der Mutterschutz auch für Schülerinnen und Studentinnen. Zudem haben Mütter, die ein behindertes Kind zur Welt bringen, eine längere Schonzeit - der Mutterschutz dauert für sie nach der Geburt zwölf Wochen.

Nicht in allen Ländern gibt es indes den Mutterschutz. Deutschlandfunk-Korrespondentin Katharina Wilhelm aus Los Angeles erklärt: "Die USA sind ja die einzige Industrienation, in der es keinen geregelten Mutterschutz gibt. Menschen an der Supermarktkasse, die ich gefragt habe, die offensichtlich sehr, sehr schwanger aussahen, die ich dann fragte, na ja, wann ist es denn soweit? Die sagte, na ja, so in einer Woche. Da war ich schon ziemlich geschockt. Das ist leider in den USA sehr normal."

Aber auch in Deutschland existierten immer noch Einschränkungen, sagt Arbeitsrechtlerin Nebe. "Wir müssen zugleich immer sehen: Wie viele Frauen kommen überhaupt in den Genuss dieser Rechte? Wenn sie zum Beispiel befristet beschäftigt sind, läuft der Kündigungsschutz völlig leer. Das ist ein Riesendilemma, gerade für junge Frauen, die heute überwiegend befristet und nicht unbefristet eingestellt werden." (kna)

Autor:

Katja Schmidtke

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