Bildung
Mehr Geld für Schulen in den ärmsten Quartieren

Foto:  epd-bild/Tim Wegner

Das «Startchancen-Programm» des Bundes soll für mehr Bildungsgerechtigkeit in den Schulen sorgen. Vor allem da, wo viele arme Kinder unterrichtet werden. Doch die Gespräche mit den Ländern sind zäh - und der Verteilmodus der Gelder umstritten.

Von Dirk Baas (epd)

Das «Startchancen-Programm» für mehr Chancengleichheit in der Bildung, das die Ampel-Regierung angekündigt hat, kommt nicht voran. An 4.000 Schulen in sozialen Brennpunkten, die mit Geldern vom Bund und den Ländern künftig zielgenau gefördert werden sollen, müssen sich die Verantwortlichen weiter in Geduld üben. Frühestens im Schuljahr 2024/25 wird Geld fließen. Doch welche Schule wofür genau Hilfe bekommen wird, ist derzeit noch offen. Eine Anfrage bei der Kultusministerkonferenz zum Zwischenstand der Verhandlungen blieb unbeantwortet.

Das künftige Förderprogramm besteht aus drei Säulen: einem Investitionsprogramm für moderne, klimagerechte, barrierefreie Schulen mit einer zeitgemäßen Lernumgebung und Kreativlaboren. Zudem ist ein sogenanntes Chancenbudget vorgesehen, das den Schulen zur freien Verfügung steht, etwa um außerschulische Kooperationen zu fördern. Darüber hinaus soll die schulische Sozialarbeit ausgebaut werden.

Umstritten ist jedoch, nach welchen Kriterien die Fördergelder verteilt werden sollen. Dazu äußerte sich die Bundesregierung nur vage: «Die Auswahl der geförderten Schulen soll unter Berücksichtigung bestimmter Sozial- und Leistungskriterien erfolgen, die vorab zwischen Bund und Ländern zu bestimmen sind» - was auf die Nutzung des Königsteiner Schlüssels hindeutet, nach dem in Deutschland ankommende Flüchtlinge auf die Bundesländer verteilt werden.

Genau das wäre einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) zufolge der falsche Weg. Weil sich Schulen mit hohem Anteil armer Kinder nicht gleichmäßig über Länder und Landkreise verteilen, sei dieser Schlüssel wenig zielführend, betont WZB-Forscher Marcel Helbig. Er schlägt vor, die tatsächliche Armutsquote als Grundlage zu nehmen. «Die Verteilung der Gelder wäre ungleicher, aber fairer. Die Mittel würden die Schulen erreichen, die sie am dringendsten brauchen», sagt er. Bundesweit gibt es rund
32.200 allgemeinbildende Schulen.

Würde der Bund ausschließlich die Schulen mit dem höchsten Anteil armer Kinder fördern, erhielten Bayern und Baden-Württemberg nur einen Bruchteil der geplanten Mittel. Bremen, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt würden dagegen deutlich stärker profitieren als bisher angenommen. Das gilt auch für Schulen in größeren Städten: Sie bekämen mehr Geld als Schulen auf dem Land. Nur Brandenburg bildet eine Ausnahme. Hier würden Schulen in ländlichen Räumen mehr Mittel aus dem Startchancenprogramm erhalten.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält nichts von der Vergabe der Fördermittel nach dem Königsteiner Schlüssel. Sie hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das einen anderen Modus vorsieht. Die Autoren der Studie schlagen verschiedene Indikatoren zur Berechnung eines Verteilungsschlüssels vor: die Wirtschafts- und Finanzkraft der Länder, die soziale Bedürftigkeit gemäß der SGB-II-Quote bei den unter 15-Jährigen sowie die Armutsgefährdungsquote, den Bildungsstand nach dem Anteil der Bevölkerung ohne Berufsabschluss und den Anteil der jungen Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Die Vorteile eines solchen Verteilungsschlüssels wären laut GEW: «Die Verteilung von Bundesmitteln lässt sich so sehr viel exakter an bestimmte Zielgruppen anpassen.»

Die GEW begrüßt zwar das Startchancen-Programm, wirbt aber für höhere Anteile der in Aussicht gestellten Gelder für die Schulsozialarbeit und für das Chancenbudget der einzelnen Schulen. «Darauf muss der Schwerpunkt liegen», sagte Anja Bensinger-Stolze, Vorstandmitglied Schule der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es müsse das Ziel sein, «nicht nur die einzelnen Schüler zu unterstützen, sondern auch die Armut in den Familien zu überwinden».

Die meisten Investitionen des Programms sind allerdings für den Schulbau vorgesehen, doch dafür gibt es laut Bensinger-Stolze andere Hilfen in den Ländern. Das «Startchancen-Programm» sollte wirklich bei den Kindern, Jugendlichen und Schulen ankommen, die es jetzt bräuchten, meint die Gewerkschafterin.

Autor:

Katja Schmidtke

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