Hilfe durch die Kraft der Natur
Inseln voller Farbe mitten in der Stadt

Gesund für Körper und Seele: In Pflanzkisten wächst Mangold.   | Foto: epd-bild/Philipp Reiss
  • Gesund für Körper und Seele: In Pflanzkisten wächst Mangold.
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Eine angenehme Ruhe liegt an diesem Morgen über dem Oberhafenquartier in der östlichen Hafencity von Hamburg. Auf einem breiten Grünstreifen hinter den Lagerhallen stehen in langen Reihen große und kleine Holzkisten.

Von Imke Plesch

Darin wachsen Apfelbäumchen, Mangold oder Sonnenblumen. «Grau trifft Grün» ist in Stempeloptik in der Mitte der Kisten aufgedruckt. Hier gärtnern Menschen mit einer psychischen Erkrankung, die zeitweise nicht mehr in ihren angestammten Berufen arbeiten können.

An einer der vorderen Holzboxen stehen Marita Krempl und Jürgen Lohfink. «Mit unseren Boxen wollen wir die Natur zurück in die Stadt holen», sagt Lohfink. Der große weißhaarige Mann mit dem wettergegerbten Gesicht ist Betriebsstättenleiter von «Grau trifft Grün». Die Käufer dieser kleinen «mobilen Gärten» sind Privatleute oder öffentliche Einrichtungen, die damit ihren Balkon, Eingangsbereiche von Wohnanlagen oder Bauzäune verschönern. «In die Kisten pflanzen wir sinnvolle Sachen, gerne alte einheimische Obst- und Gemüsesorten und bienenfreundliche Kräuter», erklärt Lohfink.«Grau trifft Grün» möchte mit den Pflanzenkisten aber nicht nur die Stadt lebenswerter machen. Das seit 2018 bestehende Urban-Gardening-Projekt hilft den Mitarbeitern mit psychischen Beeinträchtigungen, im Alltag wieder Fuß zu fassen.

«Wir haben bei früheren Projekten bemerkt, dass die Arbeit mit Pflanzen sehr viel Selbstwirksamkeit schafft», erzählt Marita Krempl, Projektmanagerin bei Arinet. Arinet setzt das «Grau trifft Grün»-Projekt um und ist eine Tochter der Stiftung Hamburger Initiative, die Beschäftigungsangebote für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Behinderungen fördert. «Die Menschen sind draußen und sehen direkt, was sie getan haben.» Bei «Grau trifft Grün» gibt es rund ums Jahr Arbeit: Im Frühjahr wird gesät, im Herbst geerntet, und im Winter werden in einer Lagerhalle die Pflanzenkisten gebaut.

Stefan ist seit zwei Jahren dabei. Der 36-Jährige sitzt an der Seite des Geländes auf einer Bank aus Europaletten vor einem Bauwagen, der als Pausenraum dient. Er wählt seine Worte mit Bedacht. «Ich hatte früher schon mal auf einem Friedhof gegärtnert, aber das war mir irgendwann zu morbide. Hier ist es freundlicher, lebendiger», erzählt er. Ihm macht nicht nur das Gärtnern Spaß, sondern auch der handwerkliche Teil, wenn die großen Holzkisten zusammengebaut und ausgekleidet werden müssen. «Und ich kann immer noch was dazulernen.» Die Arbeit tut ihm gut. Mittlerweile kommt er an drei Tagen in der Woche für ein paar Stunden. Zu tun gibt es immer was: «Und wenn man nur einmal alles gießt.» Neben der Arbeit im Garten werden die Teilnehmer auch psychosozial begleitet.

«Struktur ist für viele Menschen mit psychischen Erkrankungen sehr wichtig», bestätigt Lohfink. Für viele sei es schon ein Erfolg, regelmäßig und pünktlich im Garten zu sein. Einige empfänden bei der Gartenarbeit seit langer Zeit das erste Mal wieder Freude und könnten mit anderen lachen. Wer mehr Berührungsängste hat, kann aber auch ohne Probleme alleine an einem Beet vor sich hin werkeln. «Hier ist ein geschützter Raum.» Manche würden es auch irgendwann schaffen, in ihren ursprünglichen Beruf zurückzukehren, sagt Lohfink. Wichtig sei aber, dass es im Garten keinen Leistungsdruck gebe.

Etwa 180 Kisten haben sie in diesem Jahr bereits verkauft, die Nachfrage sei deutlich gestiegen, erzählt der Betriebsstättenleiter. In Zukunft möchte er noch mehr besondere Produkte anbieten, Kisten mit integrierten Sitzflächen etwa oder begrünte Holzwände. Und wenn die Kunden das wünschten, möchte er sich mit seinem Team auch verstärkt um die Pflege der bepflanzten Kisten kümmern. «Auf lange Sicht möchten wir eine Zuverdienstfirma aufbauen», erklärt Projektmanagerin Krempl, «das Ziel ist Eigenwirtschaftlichkeit». Damit «Grau trifft Grün» auch langfristig nicht nur grüne Inseln in der Stadt schaffen, sondern auch selbst eine Insel für kranke Menschen sein kann.

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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