Familien
Eltern auf Zeit

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Für Lorenz Schelkle (Name geändert) war Bereitschaftspflege ein Fremdwort – bis vor fünf Jahren, als seine Ehefrau und er Pflegeeltern eines Säuglings wurden.

Von Stefanie Unbehauen

Der Heilerziehungspfleger ist Leiter eines Heims für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung in Baden. «Eine junge Frau in unserem Haus wurde schwanger. Wir haben alles für sie eingerichtet inklusive Kinderklinik, Nachtdienst und Hebamme. Eine Zeit lang ging das gut», erinnert er sich. Doch nach einem halben Jahr zeigte sich die Kindsmutter überfordert und gab ihren Sohn zur Pflege frei. Schelkle nahm den Jungen zu sich und übernahm eine auf drei Monate begrenzte Bereitschaftspflege. «Es lief alles sehr unbürokratisch ab», sagt er.

Daraufhin habe sich das Ehepaar intensiv mit dem Thema Bereitschaftspflege auseinandergesetzt. Die Familie, die damals drei eigene Kinder im Alter von 12 bis 18 hatte, nahm schließlich ein zweijähriges Mädchen auf. «Sie war ein kleiner Goldschatz. Ein Jahr lang lebte sie bei uns», erinnert sich Schelkle. Beim Abschied der Pflegetochter seien seine drei Kinder traurig gewesen. Zu den Pflegekindern hat das Paar keinen Kontakt mehr. «Die beiden neuen Pflegeeltern wollten das nicht», sagt er.

Bundesweit gibt es mehr als 81 000 Pflegekinder. Die Bedingungen sind weniger strikt als bei einer Adoption. So müssen die potenziellen Eltern weder verheiratet sein, noch eine bestimmte Altersgrenze erfüllen. Aus einer Pflegschaft kann auch eine Adoption werden. Es wird zwischen befristeter und unbefristeter Pflegschaft unterschieden. Bei letzterer lebt das Kind in der Regel bis zur Volljährigkeit bei den Pflegeeltern. Jugendämter nahmen im Jahr 2019 bundesweit fast 50 000 Kinder in Obhut. Danach gibt es zwei Wege: Die Kinder und Jugendlichen kommen in eine Einrichtung für Betreutes Wohnen oder in eine Pflegefamilie.

Die Psychologin Irmela Wiemann aus Husum hat sich auf Pflege- und Adoptivfamilien spezialisiert. Sie sagt: Pflegekinder haben fast immer eine belastende Vorgeschichte. Das erfordere eine besondere Betreuung. Die Kinder bräuchten liebevolle Unterstützung für die eigene Identitätsentwicklung. «Sie benötigen Erwachsene, die mit ihnen zusammen viele alte und aktuelle Fragen bezüglich der Herkunftsfamilie klären und mit dem Kind über Grenzen der leiblichen Eltern trauern.»

Familie Simon (Name geändert) aus Schwerin bietet Kurzzeit- und Bereitschaftspflege an. «Zurzeit haben wir ein dreijähriges Pflegekind aus Syrien», sagt Peter Simon. Das Ehepaar will sich um die Pflege und Versorgung des Mädchens kümmern, bis dessen Perspektive geklärt ist. Die finanzielle Unterstützung halten der 50-Jährige und die 52-Jährige für zu gering. Die Pflegeleistung wird mit 255 Euro vergütet. «Wir würden uns wünschen, dass man auch in der Kurzzeit- und Bereitschaftspflege Rentenpunkte erwirbt.» (epd)

Autor:

Online-Redaktion

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