"Benjamin"
Ein Kind der Friedlichen Revolution

Eingetaucht: 24 Seiten Wissen, Spieltipps und biblische Geschichten begeistern die kleinen Leser. Auch einen Elternbrief gibt es. | Foto: Foto: Beatrix Heinrichs
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  • Eingetaucht: 24 Seiten Wissen, Spieltipps und biblische Geschichten begeistern die kleinen Leser. Auch einen Elternbrief gibt es.
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Kein Religionslehrerblatt und keine fromme Erbauung: Dafür gibt es im "Benjamin" Kirchenmaus Amalie und biblische Geschichten. Die evangelische Zeitschrift für Kinder erscheint seit 1990.

Von Bettina Röder

Es war im März 1990, nur vier Monate nach dem Mauerfall. Das Land, besonders der Osten Deutschlands, war in Aufruhr. Die kleine Susanne auch. Was lag da für die Zwölfjährige näher, als der gerade neu erschienenen evangelischen Kinderzeitschrift «Benjamin» einen Leserbrief mit ihren Fragen zu schreiben. «Was ist mit Gorbi los? Klärt uns doch mal über die Situation in der Sowjetunion auf. Ich versteh das alles nicht.»
Auch der zehnjährige Benjamin meldet sich zu Wort. Er hat andere Sorgen. «Ich heiße auch Benjamin und finde die Zeitung sehr gut», schreibt er. Besonders die Geschichte von der Kirchenmaus Amalie gefalle ihm. Denn auch er besitze eine Maus. Die allerdings heiße Pepino. Doch viele wahre Geschichten könne er auch über sie schreiben, zum Beispiel wie Pepino Kapitän auf dem Segelboot in der Badewanne war.
Dietlind Steinhöfel, der Initiatorin und Chefredakteurin der Zeitschrift, hat das gefallen. Wollte sie doch eine christliche Zeitschrift für Kinder machen, die mitten im Leben verortet ist. Anfang März 1990, der ostdeutsche Markt wurde in dieser Zeit von westlichen Hochglanzzeitungen zu Dumpingpreisen überschüttet, hatte sie die ersten druckfrischen Exemplare von «Benjamin» aus der Druckerei in Gera in Empfang genommen – und war mit gutem Grund auch stolz darauf. «Benjamin» war ein Novum auf dem Zeitschriftenmarkt. War es doch die erste evangelische Zeitschrift für Kinder in Deutschland.
Sie erschien zweifarbig im schma-len rheinischen Format und kostete stolze 60 Ost-Pfennig. Mit ihren acht Seiten, die bald auf 16 Seiten erweitert wurden, bot das neue Blatt so manches, was das Kinderherz begehrte. Kein Religionslehrerblatt sollte es sein, sagt Steinhöfel im Rückblick, und keine fromme Erbauung. Doch natürlich gab es Amalie, die Kirchenmaus, es gab biblische Geschichten. Auch die über den jüngsten der zwölf Brüder Josefs, nach dem die Zeitschrift benannt ist: ein lebenstüchtiger, starker Junge, der mit seinen Brüdern über Hunderte von Kilometern nach Ägypten gewan-dert war.
Ein journalistisches Produkt war erschienen, das Kinder zwischen acht und zwölf Jahren vor dem Hintergrund des christlichen Glaubens ein Stück durch das Leben begleitet, ihnen Werte vermitteln wollte. Die Redaktion saß in Weimar in den Räumen der evangelischen Thüringer Wochenzeitschrift «Glaube und Heimat», deren Redaktion Steinhöfel bis dahin angehörte.
«Wir waren voller Illusionen, glaubten, Berge versetzen zu können», erinnert sie sich heute. «Ohne das wäre das wohl auch nicht gegangen.» Und sie fügt vergnügt hinzu, dass die Auflage der ersten Ausgabe 30 000 Exemplare betrug. Mit einem Bauchladen war sie durch die Straßen Weimars gelaufen und hatte die Zeitschrift angepriesen. Auch andere hatten sich für sie stark gemacht. Mitstreiterin der ersten Stunde war auf einer halben Stelle als zweite Redakteurin Christine Voigt. Der Mini-Redaktion stand ein achtköpfiger Redaktionsbeirat beiseite. Auch die evangelische Kirchenpresse im Osten hatte sich für das Blatt eingesetzt.
Ein beispielloses Novum war auch, dass die Regierung in Ost-Berlin schon am 4. Januar 1990 eine Lizenzurkunde mit der Nummer 1719 ausgestellt hatte. Als kurz darauf, nach der ersten freien Volkskammerwahl in der DDR, der langjährige Chefredakteur von «Glaube und Heimat», Gottfried Müller, Medienminister in Ost-Berlin wurde, fand die neue Zeitschrift sogar im ersten freigewählten DDR-Ministerrat Unterstützung. Die gab es aber auch durch die Thüringer Landeskirche, den DDR-Kirchenbund und später durch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Ab 1997 erschien «Benjamin» im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) in Frankfurt am Main. Das gab das Projekt im Dezember 2001 auf – aus finanziellen Gründen, wie es hieß. «Benjamin» hatte damals 6 000 Abonnenten.
Doch die einzigartige Kinderzeitschrift sollte weiterleben – inzwischen schon 30 bewegende Jahre, in denen der Fortbestand so manches Mal am seidenen Faden hing. Und sie wird nach wie vor von Jung und Alt gelesen. Eingesetzt für den Erhalt hatte sich die Evangelische Landeskirche Württemberg. Herausgeber ist seit vielen Jahren der württembergische Landesbischof Frank Otfried July. «Benjamin» erscheint im Verlag Evangelische Gemeindepresse GmbH in Stuttgart.
Die Zeitschrift, die bis heute auf 24 Seiten Wissen und christliche Werte vermittelt, gibt Spieltipps, informiert auf Themenseiten über Medien, Tiere und biblische Geschichten, es gibt Elternbriefe. Die heutige Chefredakteurin Kathrin Kommerell ist auch Kinderbuchautorin. Sogar eine aktuelle TV-Serie gibt es, in der Kinder eigene Theaterstücke spielen. Und so ist es bis heute dabei geblieben: «Religion soll den Kindern schließlich auch Spaß machen», sagt «Benjamin»-Gründerin Steinhöfel, die heute im Beirat sitzt und nach wie vor für die Zeitschrift schreibt.

(epd)

Die Zeitschrift online finden Sie unter hallo-benjamin.de

Eingetaucht: 24 Seiten Wissen, Spieltipps und biblische Geschichten begeistern die kleinen Leser. Auch einen Elternbrief gibt es. | Foto: Foto: Beatrix Heinrichs
Initiatorin und langjährige Chef-redakteurin: Dietlind Steinhöfel | Foto: Foto: Jürgen Scheere
Autor:

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