Debatte
Lebendige Kirche oder totes Mausoleum

- Die Augustinerkirche soll heller, kirchenmusikalisch freundlicher und geschichtsbewusster umgestaltet werden.
- Foto: Schoener & Partner
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Martin Luther war bekanntlich einer der größten Kirchenerneuerer aller Zeiten. Seinen Ursprung für die Reformation der Kirche fand Martin Luther im Erfurter Augustinerkloster.
Von Ulrich Born
Es feiert im Jahr 2027 sein 750-jähriges Bestehen. Die Augustinerkirche hat im Laufe der Jahrhunderte immer wieder entsprechend den jeweiligen Anforderungen Veränderungen erfahren.
Der eigentliche Baukörper und die wunderbaren großen Kirchenfenster im Osten der Kirche sind bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben. Als Kirche nutzbar für Gottesdienste und Konzerte ist sie derzeit aber nur etwa in einer Hälfte des Jahres.
Nun soll die Kirche entsprechend Luthers reformatorischen Geist erneut hinsichtlich der Gestaltung ihres Innenraums den heutigen Erfordernissen als eine der lebendigsten und am meisten genutzten Kirchengebäude der EKM angepasst werden. Dabei geht es um eine gemäßigte Modifizierung des derzeitigen, in vielerlei Hinsicht unbefriedigenden Zustands des Kircheninnenraums. Der schlichte Stil eines Bettelordens soll erhalten bleiben. Aber die Augustinerkirche soll heller, kirchenmusikalisch freundlicher und geschichtsbewusster umgestaltet werden. Das soll u.a. durch zeitgemäße Veränderungen, wie einer gemäßigten Temperierung und dem Einbau eines beweglichen Chorpodestes ermöglicht werden.
Seit dem Jahr 2020 fand ein intensiver Dialog statt mit regelmäßigen Besuchern des Klosters, Vertretern der Landeshauptstadt Erfurt, des Denkmalamtes, mit Menschen aus der Touristikbranche, Historikern, Kirchenmusikerinnen und Bau- sowie Heizungsfachleuten. Die Erkenntnisse und Wünsche wurden in einem Auslobungstext zusammengetragen. Eine Jury aus etwa 20 Fachleuten hat aus den aufgrund eines internationalen Architekturwettbewerbs eingereichten 16 Vorschlägen dem Büro Schoener und Panzer aus Leipzig den Zuschlag erteilt.
Die Augustinerkirche ist kein Museum, sondern ein lebendiger kirchlicher Begegnungsort für Christen aus aller Welt. Rund 150.000 Menschen kommen schon jetzt jährlich in das Kloster und seine Kirche.
Wie stets wenn Veränderungen – wo und wann auch immer – vorgenommen werden sollen, gibt es Widerstände, Bedenkenträger und Menschen, die grundsätzlich alles so lassen wollen, wie sie es kennen, selbst wenn sie pro forma sagen, sie seien ja grundsätzlich gar nicht gegen Veränderungen. Das gilt auch bei Umgestaltungen von Kirchenräumen. Nicht selten sind es Menschen, die am aktiven kirchlichen Leben keinen Anteil haben.
Das ist bei der Augustinerkirche nicht anders: Eine sehr kleine Gruppe polemisiert immer wieder mit den gleichen, weitgehend klar widerlegten Argumenten gegen den geplanten Umbau. Dass nun ausgerechnet der in der NS-Zeit eine unrühmliche Rolle spielende Architekt Kellner, von dem die jetzige Gestaltung der Kirche aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts stammt, gleichsam als Säulenheiliger herhalten soll, so dass man nichts verändern dürfe, ist selbst unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten geradezu absurd.
Der jüngste Beitrag in Glaube + Heimat unter der Überschrift „Streit um ein Prestigeobjekt“ veranlasst mich, doch noch einmal eindringlich drauf hinzuweisen, dass die Augustinerkirche kein Museum ist. Vielmehr findet hier lebendige Kirche statt, wie an wohl keinem anderen Ort in der EKM.
Geradezu als dreist empfinde ich es, wenn ein Schweizer Professor von der Uni Weimar, sich sogar zu der Behauptung hinreißen lässt: „Die jetzige Raumfassung erinnere gut daran, wie es hier zu Luthers Zeiten gewesen sein könnte“. Hat Her Professor Hans-Rudolf-Meier sich jemals mit dem Klosterleben zu Luthers Zeiten befasst, oder er werden hier gar bewusst falsche Behauptungen in die Welt gesetzt?
Wollte man die höchste lebendige Augustinerkirche in ein totes Museum verwandeln und den Zustand zu Luthers Zeiten herstellen, dann müssten vierzehn Altäre eingebaut werden, ebenfalls ein Lettner, der dem „normalen“ Kirchenvolk sogar die Sicht auf die einzigartigen Glasfenster verwehren würde. Sämtliche Sitzgelegenheiten – mit Ausnahme der wenige Plätze für die Mönche hinter dem, dem „Kirchenvolk“ vorenthaltenen Altarraum und die Orgel müssten entfernt werden.
Peter Kraska, der wie ich der Projektgruppe Umgestaltung Augustinerkirche angehört, die dem preisgekrönten Architektenentwurf für eine modernen Anforderungen entsprechende Umgestaltung der Augustinerkirche zur Realisierung verhelfen will, hat einen Leserbrief an die TA geschrieben, darin heißt es u.a.:
„Die von Meier und Merzenich „in Übereinstimmung mit Glasmalerei-Restauratorinnen“ gesehene Gefahr für die wertvollen Kirchenfenster ist eine kühne Pauschalbehauptung ohne den hier spezifisch erforderlichen Nachweis. Es ist doch lächerlich, zu suggerieren, das Landeskirchenamt würde einen seiner größten Schätze durch massive Dauerbeheizung im Winter ruinieren. Die hier geplante behutsame und kontinuierliche Erwärmung des Inneren auf 16 Grad Celsius im Bodenbereich (!) entspricht den Empfehlungen der Glasexperten und ist weit davon entfernt, Schäden anrichten zu können. Den Kirchenbesuchern aus Gründen des Klimaschutzes statt Beheizung den Gebrauch von Decken zu empfehlen kann ich nur als professoralen Hochmut und Zynismus bezeichnen. Ich frage mich, warum das nicht auch im Winter in den Hörsälen von Universität und Fachhochschule praktiziert wird?“
Würden wir den Zustand der Lutherzeit wiederherstellen wollen – der große Reformator Martin Luther, da bin ich sicher, würde uns schlicht für verrückt erklären – dann machten wir das Gegenteil von dem, was Martin Luther uns vorgelebt hat. Wir würden ein lebendiges Gotteshaus in ein Mausoleum verwandeln.
Der Autor ist Präses der Synode des Kirchenkreises Erfurt.
Autor:Online-Redaktion |
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