Nachgefragt
100 Jahre Kirchenarchiv

Christina Neuß | Foto: Johannes Röder

Im Kirchenarchiv Eisenach wurde am 1. November 1922 die Arbeit aufgenommen. Eingerichtet wurde es anlässlich der Gründung der Thüringer Landeskirche. Mit Christina Neuß, der heutigen Archivleiterin, hat André Poppowitsch über den Wandel in der Erinnerungsarbeit gesprochen.

Welche Aufgaben hat das Landeskirchenarchiv? Ist es das Gedächtnis der Landeskirche?
Christina Neuß: Neben Museen und Bibliotheken sind Archive die dritte Gedächtnisinstitution. Aber nur hier müssen existenzsichernde Informationen pflichtgemäß vorgehalten werden. Archive stehen so für die Kontinuität von Rechtssicherheit und Verwaltungstransparenz. In dieser Verantwortung haben wir die Aufgabe, die schriftlichen Zeugnisse des kirchlichen Lebens der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, ihrer Vorgänger- und Nachfolgekirchen dauerhaft zu bewahren, zu erschließen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Je professioneller wir diese Aufgaben erfüllen, desto verlässlicher kann unser Haus als Gedächtnisinstitution in Anspruch genommen werden.

Wie haben sich diese Aufgaben in den vergangenen 100 Jahren gewandelt?
Vor 100 Jahren waren Tonfilm und Schallplatte die neuen Datenträger. Verwaltungsschriftgut wurde über Jahrhunderte mit Papier und Tinte, später mit Schreibmaschine produziert. Allein in Eisenach liegen mehr als 200 000 verzeichnete Papierakten in Archivkartons. Unser Haus bietet Platz für 1000 Tonnen landeskirchlicher Geschichte in Akten. Heute stehen wir vor einer umfassenden Transformation ins Digitale.

Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Perspektivisch wird es immer weniger analoge Informationen geben. Moderne kirchliche Verwaltungen produzieren sogenannte Born-digitals. Dazu gehören neben E-Akten auch E-Mails oder digitale Fotos. Die gesetzliche Pflicht zur Erschließung, Bewahrung und Nutzbarmachung gilt auch für das digitale Schriftgut. Dabei gleicht die systematische und unversehrte Übernahme, Beschreibung und Sicherung der riesigen Datenmengen auf Dauer einer Herkulesaufgabe. Sie erfordert neben erheblichen finanziellen Ressourcen neue Technologien, Arbeitsabläufe, Wissensstände. Im Verband kirchlicher Archive in der EKD sind wir auch hierzu in regem Gespräch.

Wie unterstützen Sie Archive in Kirchenkreisen und Gemeinden?
Neben unserer Fachaufsicht für die Archive und Bibliotheken der Kirchengemeinden und -kreise stehen wir jederzeit als Partner in allen Fragen der eigenen Überlieferungssicherung zur Seite: Wir beraten vor Ort, schulen mehrfach im Jahr oder helfen bei anstehenden Übernahmen in unser Haus mit der notwenigen Transportlogistik. Das Selbstverständnis der kleinen und großen Archive in der EKM ist das Gleiche. Wir haben die gemeinsame Aufgabe, wertvolles schriftliches Kulturgut für die kommenden Generationen zu bewahren.

Autor:

André Poppowitsch

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