Definition von Schulseelsorge: Zeit nehmen, zuhören

Foto: privat

Wort zur Woche Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
1. Petrus 5, Vers 7

Auf dem Weg zum Lehrerzimmer spricht mich Martin an. Ob ich einmal Zeit für ihn hätte? Wir verabreden uns nach dem Unterricht.
Am Anfang unseres Treffens erzählt er stockend, dass er bei den vielen Tests und Klassenarbeiten gar nicht mehr wisse, wo er überhaupt anfangen solle zu lernen. Und auch von seinen Mitschülern fühle er sich völlig missverstanden. Ich höre zu und frage nach, um besser zu verstehen. Mit Tipps oder konkreten Vorschlägen halte ich mich zurück. Denn es ist völlig klar: Die Sorgen kann ich ihm nicht abnehmen. Darin sehe ich meine Aufgabe: Zeit zu haben, um zuzuhören. Auch der Wochenspruch weiß davon, dass Sorgen nicht einfach weg- oder kleingeredet werden können.
Die Rede ist aber von Vertrauen, dass Gott meine Sorgen und Ängste nicht übersieht, auch wenn mir das in einer Krisensituation manchmal genau so vorkommt. Vielmehr, so ist sich der Verfasser des 1. Petrusbriefes sicher, hält Gott Möglichkeiten bereit, die mir ermöglichen, gerade an solch sorgenvollen Zeiten nicht zu zerbrechen. Mir selbst gibt in Zeiten der Sorge das 1943 von Dietrich Bonhoeffer verfasste Glaubensbekenntnis immer wieder neue Kraft und Mut. Bonhoeffer formuliert: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“
Martin, dessen Name ich geändert habe, schien dies auch gespürt und erlebt zu haben. Als er letztes Jahr sein Abitur machte und ich ihm dazu gratulierte, bedankte er sich bei mir. Fürs Zuhören. Und irgendwie, meinte er verschmitzt, habe er gemerkt, dass da wirklich etwas oder jemand war, das seine Sorgen mitgetragen habe.

Heiko Ackermann, Pfarrer und Schulseelsorger, Erfurt

Autor:

Online-Redaktion

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