275 Jahre nach Bachs Tod
Neunjährige Fans: "Leben ohne Bach kann ich mir nicht vorstellen"

Foto: epd-bild/Jens Schlüte

"Bach ist einfach cool. Die Matthäus-Passion von ihm hab ich zum ersten Mal mit Acht mitgesungen", erzählt der neunjährige Johann. "Wir haben ja schon im Kindergarten Sachen mit Bach gemacht." Soeben hat der Blondschopf die Aufnahmeprüfung für den Leipziger Thomanerchor bestanden. Jenem legendären Knabenchor mit über 800-jähriger Tradition, dessen prominentester Leiter von 1723 bis zu seinem Tod vor 275 Jahren Johann Sebastian Bach war.

Von Karin Wollschläger

Johann versteht sich als den größten Bach-Fan überhaupt. Allerdings nicht konkurrenzlos, denn seine Mitschülerinnen Hermione, Elise und Ella stehen ihm kaum nach. "Also, ich kann mir ein Leben ohne Bach eigentlich nicht mehr vorstellen", sagt Ella. Den Drittklässlern begegnen Bach und seine Musik im Schulalltag fast auf Schritt und Tritt. Denn sie besuchen die Grundschule des Bildungscampus "forum thomanum" in Leipzig. Zu dem deutschlandweit einzigartigen musikalischen Campus, der unter dem Leitwort "glauben, singen, lernen" steht, gehören auch eine Kita, ein Gymnasium und das Alumnat des Thomanerchores. Fast alles kreist hier um den großen Meister.

Mit Perücke und streng

Die Kinder stellen sich den berühmten Komponisten mit weißer Perücke vor. So wie auf den bekannten Porträts. So sieht er auch im Film "Bach - ein Weihnachtswunder" aus, der im vergangenen Dezember mit Devis Striesow in der Hauptrolle im Fernsehen lief, und den die Neunjährigen alle gesehen haben - "Natürlich!" - und einhellig empfehlen. "Und streng war der Bach. Garantiert", sind sie sich einig.

"Am meisten mag ich 'Jauchzet, frohlocket' aus dem Weihnachtsoratorium - da kommen so viele Instrumente vor", sagt Hermione. Zustimmendes Nicken der anderen. Johann fischt ein Liedblatt hervor: "O Mensch, bewein dein Sünde groß". Bach arbeitete seinerzeit das lutherische Kirchenlied zum Schlusschor für seine Matthäuspassion um. Nicht nur musikalisch, sondern auch sprachlich ist vieles dieser alten Stücke herausfordernd. So der Eindruck aus Erwachsenenperspektive. Die Kinder zucken eher gleichgültig mit den Schultern.

Krasse Textstellen

"Wir sprechen nicht so viel über die Texte. Wir singen die, weil es coole Musik ist", sagt Johann unumwunden. Da muss der musikalische Leiter der Schule, Matthias Schubotz, dann allerdings doch einhaken: Na ja, über die ganz krassen Stellen sprechen wir schon im Unterricht. Sowas wie 'O Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet' - das versuchen wir durchaus zu erklären. Nur ist das manchmal so: Da kommt dann ganz viel rein in die Ohren, das geht aber auch ganz schnell wieder raus." Deshalb stehe das Besprechen der Texte in diesem Alter etwas hintan.

"Zur Zeit von Bach haben die Leute ja auch ganz anders geredet, und für die Kinder klingt das manchmal gar nicht wie Deutsch. Die tippen dann erstmal auf Französisch oder Italienisch", erzählt Schubotz. Die Kinder lachen zustimmend. "Es klingt wie aus einer weit, weit entfernten Galaxis", findet Johann, der nicht nur Bach-, sondern auch "Star Wars"-Fan ist. Die dazugehörige Filmmusik steht ganz oben auf seiner Playlist. Auch die Mädchen hören längt nicht nur klassische Musik. "Ich höre meistens die Lieder von Bibi und Tina", sagt Ella. "Ich mag so altmodische Musik: ABBA", ergänzt Hermione.

Kein Zutritt für Mädchen

Eine Sache allerdings finden die Mädchen ziemlich doof an Johann Sebastian Bach: "nämlich, dass der keine Mädchen in seinen Chor genommen hat, nur Jungs", sagt Hermione. "Das ist voll unfair", stimmen Ella und Elisa synchron ein. Bis heute dürfen im Thomanerchor ausschließlich Jungen singen. "Es is' halt ein Kna-ben-chor", mischt sich Johann aufmüpfig ein und kassiert prompt eine Abfuhr der Mädchen: "Knabenchor hier, Knabenchor da... - du als Knabe halt dich jetzt mal raus. Es ist einfach unfair, dass die hier die Regeln bis heute nicht geändert haben." Ein Grund, deswegen nicht mehr Bach zu singen, ist es allerdings nicht für die Mädchen. "Das macht einfach zu viel Spaß", sagt Hermione.

Schon junge Kinder an die Musik von Bach heranzuführen, ist laut Matthias Schubotz durchaus machbar: "Es gibt viele kleine, tänzelnde Melodien, die ganz eingängig sind. Und wenn wir dann mit den Kindern zu den großen Werken wechseln, ist es toll zu sehen, wie die die Musik regelrecht mitleben." Er erinnert sich, wie er das erste Mal die Johannespassion zusammen mit Zweit- und Drittklässlern in der Thomaskirche aufführte: "Nach dem Schlusston, als einen Moment absolute Ruhe war, bekam plötzlich ein Kind einen Lachanfall - eine Übersprunghandlung, weil es so ergriffen und bewegt war. Das haben alle gespürt und fanden es deshalb auch gar nicht schlimm oder unangemessen."

(kna)

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Online-Redaktion

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